Online-Trickbetrug mit Fahrkarten:Polizei warnt vor Billigtickets

Lesezeit: 3 min

Sabine Stein leitet den "Ermittlungsdienst" bei der Bundespolizei. (Foto: Robert Haas)
  • Drei junge Männer haben mit dem Verkauf von illegal erworbenen Tickets einen Schaden von über 130 000 Euro angerichtet.
  • Die Trickbetrüger bieten die Tickets besonders billig im Internet an. Sie bezahlen sie mit Kredikartendaten aus Online-Foren.

Von Susi Wimmer, München

Es war eine Münchner Journalistin, die den Stein ins Rollen brachte, allerdings eher unfreiwillig: Weil sie im Internet ein Zugticket mega-günstig erstanden hatte, fragte sie doch lieber bei der Bundespolizei nach: "Darf ich damit fahren?" Die Münchner Beamten ermittelten und am Ende ließen Kripo-Chefin Sabine Stein und ihr Ermittlerteam drei Computerfreaks auffliegen, die mit dem Verkauf von nicht legal erworbenen Zugtickets einen Schaden von über 130 000 Euro angerichtet hatten. Die Masche boomt, und die Bundespolizei warnt vor vermeintlichen Schnäppchenkäufen im Netz, bei denen Bahnfahrer schon mal auf der Strecke bleiben können und jede Menge Unannehmlichkeiten bekommen.

Der Trick klingt relativ einfach, "aber man benötigt schon jede Menge krimineller Energie dazu", sagt die Erste Polizeihauptkommissarin Sabine Stein. Sie leitet den "Ermittlungsdienst" bei der Bundespolizei, 30 Fahnder hören auf ihr Kommando. Als eben jene Münchnerin mit dem Billig-Ticket ankam, ahnte Stein noch nicht, dass das der bislang größte Fall für ihre Internet-Ermittler werden würde. Und auch nicht, dass sich diese Masche zu einem bundesweiten Phänomen auswachsen würde. Nur ein Vergleich: 2011 hatte die Bundespolizei etwa 400 solcher Fälle zu bearbeiten, 2013 waren es 27 000 - und der verursachte Schaden lag bei sechs Millionen Euro.

Schnäppchen-Mentalität ausgenutzt

Die Betrüger bauen auf die Schnäppchenjäger-Mentalität vieler Internetnutzer. Dazu treiben sie sich auf den einschlägigen Plattformen herum: Mitfahrgelegenheit.de, Blablacar.de, Mitfahrzentrale.de und wie sie alle heißen. Natürlich melden sie sich dort mit fiktiven Daten an. Die Sicherheitsvorkehrungen bei diesen Plattformen seien relativ niedrig, weiß die Polizei, "um den Nutzer nicht abzuschrecken".

Auf den Portalen boten die drei Betrüger, ein 23-jähriger Informatik-Student, sein 21-jähriger Bruder, sowie ein 23-jähriger Kommilitone diverse Zugfahrstrecken an. "Am besten eine möglichst lange Strecke, etwa von Wien nach Hamburg, mit vielen Zwischenhalten", erzählt Polizeioberkommissar Rolf Linnemann. So konnten sie "viele Angebote" schaffen und das Ganze zu Top-Preisen. Meist stand als Erklärung für das Mitfahr-Schnäppchen zu lesen: "Mein Onkel arbeitet bei der Bahn" oder "Ich hab noch Gutscheine aus Verspätungen".

Kontrolle im Zug: Nicht jede Fahrkarte kommt tatsächlich von der Deutschen Bahn. (Foto: dpa)

Hatte ein Interessent angebissen, lieferte er den Betrügern seinen Namen, Adresse und Personalausweisnummer. Mit diesen Daten kauften die Betrüger dann bei der Bahn die Tickets. Allerdings nicht von ihrem Geld, sondern mit fremden Kreditkartendaten, die sie zuvor bei verdeckten Online-Foren abgegriffen hatten. "In den sogenannten Darkrooms im Netz kann man Datensätze von EC- oder Kreditkarten kaufen, je nach Datengröße für einen Preis zwischen fünf und 50 Euro", sagt Linnemann. Bis die geschädigten Kreditkartenbesitzer die Abbuchung bemerkten, waren die Fahrten längst über die Bühne gegangen. Und die Bahn war doppelt geschädigt: Weil Kunden mit illegal erworbenen Tickets unterwegs waren - und sie den Fahrpreis rückerstatten musste.

Gefälschte Daten, gefälschte Papiere

Über 1300 derartige Transaktionen gingen auf das Konto des Trios. Polizeioberkommissar Roland Weber von der operativen Auswertung deutet auf einen Büroschrank, der von oben bis unten mit Ermittlungsakten gefüllt ist. An der Wand ein Plan, auf dem er die Transaktionen aufgezeichnet hat, samt den dazugehörenden E-Mail-Adressen und Rechner.

Die Gruppe agierte allein mit mehr als 80 E-Mail-Konten, drei Rechnern und sieben Bankkonten. Natürlich waren die Bankkonten mit gefälschten Papieren eröffnet worden. "Die kann man in jedem Urlaubsland kaufen", erzählt Weber. Außerdem waren die Täter so geschickt, ihre IP-Adressen zu verschleiern.

Am Ende allerdings nutzte ihnen auch das nichts: Beim wiederholten Geldabheben im Raum Esslingen wurde das Brüderpaar geschnappt. Zusammen mit dem Studienfreund gingen sie für gut ein Jahr in Untersuchungshaft. Ein Gericht verurteilte den Haupttäter wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Die anderen beiden kamen mit Bewährungsstrafen davon. Vom Informatik-Studium sind sie in Zukunft ausgeschlossen.

Teilweise heftige Unannehmlichkeiten

Die Opfer der Drei hatten teilweise heftige Unannehmlichkeiten: Denn wenn die Bahn den Betrug rechtzeitig bemerkt hatte, dann sperrte sie die Tickets. Die Reisenden wurden aufgehalten. Einige gerieten selbst unter Betrugsverdacht, gegen andere wurde auch wegen Hehlerei ermittelt.

"Man sollte Bahn-Tickets nur an autorisierten Stellen kaufen", rät Bundespolizei-Sprecher Wolfgang Hauner. Wenn Tickets deutlich unter Wert im Netz angeboten werden, müsse einem der gesunde Menschenverstand sagen, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen könne. Vorsicht ist auch geboten, wenn viele Tickets für verschiedene Strecken von einem Anbieter oder einer Adresse zu denselben Preisen angeboten werden.

Der Internet-Ermittlungsgruppe bei der Bundespolizei wird auch in Zukunft nicht langweilig werden. Gerade arbeiten die Beamten an einem ähnlich großen Fall, der Schaden beläuft sich auf über 100 000 Euro. Mehr können sie aus ermittlungstaktischen Gründen noch nicht sagen.

© SZ vom 25.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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