Wer ausgeht, muss auch nach Hause kommen. Und hier scheidet sich die Menschheit in zwei Gruppen. Der eine Teil, der, egal zu welcher Uhrzeit, das Smartphone zückt, um ein Uber seines Weges zu dirigieren, oder die Hand hebt wie ein lässiger New Yorker, um sich ein Taxi herbeizuwedeln. Der andere Teil, der, egal zu welcher Uhrzeit, das Smartphone zückt, um die MVG-App zu starten oder hinunter trottet, um nachzusehen, ob sich die Gitter schon vor die U-Bahn-Eingänge gesenkt haben.
Nicht jeder Abend ist aufregend, bisweilen sitzt eine kleine Gemeinde beisammen, die schon so eingeschworen ist, dass sie sich nichts Aufregendes zu erzählen hat. Bisweilen macht das Bier nicht lustig, sondern Kopfweh. Erst, wenn jeder für sich in Richtung Bett aufbricht, besteht noch einmal die kurze Chance auf ein Erlebnis, auf eine bizarre Szene, auf eines dieser Gespräche, die nur nachts stattfinden.
Szene München:Mit 30 ist das Party-Leben zu Ende
Früher, da haben wir noch gefeiert. Heute ist Erholung populär.
Selbst wenn der Taxifahrer oft eine witzige Geschichte parat hat, aus der Stadt, aus seinem Leben oder aus dem eines Promifußballers: Größer ist diese Chance doch bei einer der wilden Nachtbus-U-Bahn-Tram-Kombis, die die MVG-App vorschlägt, um nach Hause zu gelangen. Die Öffentlichen in den frühen Morgenstunden sind ein Sammelbecken derer, für die die Nacht gelaufen ist. Aber die noch gemeinsam in einer Bahn gefangen sind, die an jeder Station quälend lange hält.
Viele beugen sich tief in ihr Handydisplay, als wollten sie hineinsinken. Andere sind noch aufgedreht oder stieren ins Leere, während sie Musik hören. Es gibt die, die aus dem Nichts von ihrer viel zu frühen Scheidung erzählen und den Beziehungsstreit auf der Sitzbank gegenüber. Manchmal weint einer. Eine Frau reckt ihren Einhornluftballon so würdevoll empor wie die Freiheitsstatue ihre Fackel, ein Mann murmelt fassungslos vor sich hin. Alles ausgeleuchtet von kaltem Verkehrsmittellicht.
Mit dem Taxi ist der Heimweg fix zurückgelegt. Die Nachtlinie nimmt sich Zeit, um die gesamte Tragik und Komik des Menschseins aufzufahren. Es bleibt eine Frage des Geschmacks, wie schnell man die Nacht zu Ende bringen will. Und manchmal auch eine des Geldes.