Obersendling:Angst vor der Überforderung

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Stadtteilpolitiker üben Detailkritik am Obersendlinger Integrationsprojekt "Junges Quartier". Die Frage, ob dort und im Münchner Südwesten zu viele Flüchtlinge untergebracht werden, löst unter den Fraktionen eine Debatte aus

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Im Großen und Ganzen kommt das städtische Integrationsprojekt "Junges Quartier Obersendling" bei den Stadtteilpolitikern gut an. Junge Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenshintergründen zum gemeinsamen Lernen, Wohnen und zu kultureller Begegnung einzuladen, erscheint durchweg als gute Idee. Das gilt gleichermaßen für den Umzug des Sozialbürgerhauses Plinganserstraße an den Quartiersstandort Schertlinstraße und die Aufnahme eines größeren Jugendcafés ins Konzept zur Nutzung der vier ehemaligen Siemens-Bürobauten.

Im Detail allerdings raufen sich die Politiker des Bezirksausschusses (BA) 19 die Haare. Denn sie wollen nicht mehr tatenlos zusehen, wie schleichend Gewerbe- in Wohnflächen umgewandelt werden, wie ein anderer, vormals im neuen Wohngebiet "Am Südpark" (ehemaliges Eon-Gelände) geplanter Jugendtreff mit den Kapazitäten des Jugendcafés verrechnet wird, wie eine unausgereifte Planung mehr Verkehrsprobleme schafft als löst. Und dann ist da die Sache mit den Flüchtlingen. Die Verträge zwischen Stadt und Investor sind noch nicht unter Dach und Fach, da zeichnet sich schon eine Übergangsnutzung des künftigen Jungen Quartiers als Unterkunft für 800 Asylbewerber ab, und das gleich zum Start. Dieser Punkt vor allem war es, der im Bezirksausschuss Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln hitzige Wortgefechte auslöste.

Nach Meinung der CSU-Fraktion droht dem Stadtteil eine Überforderung durch Flüchtlingseinrichtungen. Ein Blick nach Obersendling zeige, dass es mit der gleichmäßigen Verteilung der Migranten im gesamten Stadtgebiet nicht weit her sei. Im Münchner Südwesten sei vielmehr eine "Massierung" unübersehbar. Darüber Besorgnis zum Ausdruck zu bringen, müsse erlaubt sein, sagte die CSU-Stadträtin Manuela Olhausen in der jüngsten Sitzung des Stadtteil-Gremiums.

Ähnlich äußerte sich Olhausens Parteifreundin Claudia Küng. Die CSU-Fraktion jedenfalls will die Unterbringung von Flüchtlingen im Jungen Quartier nur akzeptieren, wenn der entsprechende Mietvertrag "keinerlei weitere Festlegungen und Bindungen für zukünftige Nutzungen" enthält und der Betreuungsschlüssel strikt eingehalten wird. Es gelte, einer "Ghettobildung" vorzubeugen, sagte CSU-Fraktionssprecher Reinhold Wirthl.

Mit ihrer Sichtweise stieß die CSU auf vehementen Widerspruch bei den Grünen. Der "Vorrat an Solidarität" der Münchner mit den Flüchtlingen sei noch längst nicht aufgebraucht, mahnte Alexander Aichwalder. Statt über eine andere Verteilung der Migranten nachzudenken, sollten alle politischen Kräfte lieber überlegen, wie sie die Aufgabe der Unterbringung und Betreuung gemeinsam meisterten. Aichwalder erhielt dafür lautstarken Beifall auch von der SPD-Fraktion.

Deren Mitglied Michael Kollatz sagte überdies, das Junge Quartier sei selbst dann kein gutes Beispiel für eine Überstrapazierung, wenn man von dieser ungünstigen Entwicklung generell überzeugt sei. Denn die Unterbringung von Flüchtlingen an der Schertlinstraße sei temporär, und das Konzept des Integrationsprojekts mit einer schnöden Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum nicht zu vergleichen.

Eine gemeinsame BA-Stellungnahme zu den städtischen Plänen für das Junge Quartier Obersendling erwies sich angesichts derart gravierender Meinungsverschiedenheiten als schwierig. Zudem bescheinigten alle Fraktionen der Vorlage des Sozialreferats eine eklatante Lückenhaftigkeit. Vor allem die Verkehrsanbindung des Jungen Quartiers erschien den BA-Mitgliedern unbefriedigend. Die SPD-Fraktion warf ferner die Frage auf, ob tatsächlich auch noch Berufsschulen vorübergehend an der Schertlinstraße unterkommen sollten, worüber bereits nachgedacht werde.

Besser wäre es, die Berufsschulen aus der Luisenstraße würden direkt in einen Neubau an der Carl-Wery-Straße umziehen, ohne Zwischennutzung an der Schertlinstraße mit ihren "erheblichen Umbauten und Neueinrichtungen". Das sähe "sehr viel kostengünstiger" aus, heißt es in einem Positionspapier der Sozialdemokraten. Ferner befürchtet die SPD unverändert, dass es im Jugendcafé an der Schertlinstraße an Angeboten für die Gruppe der Zehn- bis Vierzehnjährigen fehlen könnte. Von daher sei weiterhin auch ein Treff auf dem alten Eon-Gelände vorzusehen.

Vollkommen einig waren sich die BA-Mitglieder lediglich in der Forderung, bei bedeutsamen Vorhaben im Stadtbezirk früher als bisher in die Projektierung einbezogen zu werden. "Das wäre hilfreich und vermeidet Überraschungen", sagte CSU-Fraktionssprecher Wirthl.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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