Oberhaching:Gemeinderat wird zum Bankräuber

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Er fürchtete um Ansehen und Existenz: Ein Gemeinderat aus Oberhaching überfiel insgesamt fünf Banken, drohte mit Bombenattrappen und erbeutete 200.000 Euro. Jetzt droht ihm eine hohe Haftstrafe und Sicherungsverwahrung.

Christian Rost

Weil er um sein Ansehen fürchtete, wurde ein Gemeinderat aus Oberhaching zum Bankräuber. Fünf Geldinstitute überfiel der Kommunalpolitiker von 2006 bis 2010 in Süddeutschland und in Österreich. Zum Zeitpunkt der Taten war der Mann, der zuletzt freiberuflich als Journalist und Layouter arbeitete, finanziell völlig abgebrannt. In einer wirklichen Notlage hatte er sich aber nicht befunden, wie am Mittwoch am ersten Tag des Prozesses gegen Norbert J. am Landgericht München I deutlich wurde.

Für den 61-Jährigen steht viel auf dem Spiel, weshalb er ein umfassendes Geständnis ablegte. Schon wegen der Überfallserie droht ihm eine Haftstrafe von deutlich mehr als zehn Jahren. Und die Staatsanwaltschaft will zudem auf die Sicherungsverwahrung des Mannes hinaus, der bei seinen Überfällen geplant und kaltblütig vorging: Er bedrohte die Bankangestellten mit einer vermeintlichen Bombe, die tatsächlich aus einer mit Mehl gefüllten Metallbox mit einem daran befestigten Handy bestand und angeblich ferngezündet werden konnte.

Als dem Mann im Frühjahr 2006 von seiner Bank ein Darlehen gekündigt wurde, sah er eigenen Angaben zufolge keinen anderen Ausweg. Mit seiner Frau wollte er nicht über seine finanziellen Sorgen sprechen - das Paar führte getrennte Konten - und auch vor der Öffentlichkeit wollte der Gemeinderat nicht als Versager dastehen.

Er hatte von seinen Eltern zwar ein Haus geerbt, das etwa eine halbe Million Euro wert war, seine laufenden Einnahmen tendierten aber gegen null. Dabei hatte er durchaus erfolgreiche Jahre hinter sich als leitender Angestellter in Buchverlagen und bei einer Medienakademie. Seinen Schritt in die Selbständigkeit als Webdesigner mit Mitte 50 bereute er bald. Aufträge blieben aus, und als er sich wieder um einen festen Job bemühte, bekam er nur Absagen. Sein "gutbürgerliches Leben", verbunden mit vielen Reisen, führte er dennoch weiter. Er leaste sich auch noch einen VW-Bus für Wochenendausflüge.

Ein bis zwei Wochen habe er über einen möglichen Banküberfall nachgedacht, sagte J., dann schritt er zur Tat: Am 10. April 2006 fuhr er mit seinem Lancia Lybra zur Sparkassenfiliale nach Münsing am Starnberger See, stellte seine Attrappe an der Kasse auf den Tresen und legte einen Zettel vor: "Diese Box enthält eine mit Nägeln gefüllte scharfe Bombe!" 15 Minuten durften die Angestellten nicht die Polizei zu rufen, sonst würde er die Bombe mit einem Handyanruf zünden, warnte er. Auf diese Weise erbeutete er 10 000 Euro. Weil er mit seinem Auto in Münsing gesehen worden war, nahm ihn kurzzeitig die Polizei ins Visier. Es ergab sich jedoch kein Tatverdacht, was den Mann ermunterte, weiterzumachen. Das Geld verbrauchte er teils für eine Reise auf die Malediven.

In Unterlangenkampfen in Österreich ging er im Mai 2007 genauso vor und erbeutete 16.345 Euro. Im April 2008 scheiterte er nahe Günzburg, weil die Bankmitarbeiter flüchteten. Einen Tag später landete er im österreichischen Tannheim mit 134.000 Euro seinen größten Coup. Und am 14. Oktober 2010 raubte er die Volksbank im baden-württembergischen Lonsee aus - im Glauben, die Polizei werde ihm wegen des Großeinsatzes bei Stuttgart 21 keine Probleme machen. Doch nach diesem Raub mit 45.000 Euro Beute wurde er gefasst. Den Schaden hat er durch den Verkauf seines Hauses zum Teil beglichen. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 27.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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