Null-Energie-Hotel "Campo dei Fiori":Das Selbstversorger-Haus

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Hightech macht es möglich: In München eröffnet das erste energieneutrale Hotel. Die Energie, die für Licht, Heizung, Kühlung und Warmwasser benötigt wird, erzeugt das "Campo dei Fiori"selbst.

Jakob Wetzel

Das Geheimnis steckt in der Wand. In jedem der 43 Hotelzimmer erhitzt ein "Klima-Tower" das Wasser, rasch, lautlos und nur bei Bedarf. Einen zentralen Boiler gibt es nicht. Der Energiespar-Effekt dadurch ist enorm. Und die Gäste spüren keinen Unterschied. Die Gäste im "Campo dei Fiori" bemerken überhaupt nur wenig davon, dass sie in einem sogenannten "Null-Energie-Hotel" schlafen, wie es der Betreiber nennt. Und wenn sie etwas merken, dann, dass etwas fehlt: das Gurgeln der Heizkörper etwa, oder das Summen der Klimaanlage. Beides gibt es nicht, stattdessen regeln Wasserschlangen in den Böden die Temperatur.

Wasserschlangen in den Böden regeln die Temperatur, Duschwasser wird für die Toilettenspülung wiederverwendet: 4,3 Millionen Euro hat die Derag investiert, um das ehemalige "Haus am Blumenmarkt" umzubauen. (Foto: Derag/oh)

Null-Energie" bedeutet hier, dass die Energie für Licht, Heizung, Kühlung und Warmwasser vom Haus selbst gewonnen wird. Dazu stehen Solarzellen auf dem Dach, außerdem heizt die Sonne mit, wenn sie durch die gläserne Südwest-Fassade in die Zimmer strahlt. Und ist die Energie erst einmal im Haus, bleibt sie gespeichert, dank Drei-Scheiben-Verglasung und 26 Zentimeter dicker Wärmedämmung im Dach. Duschwasser wird für die Toilettenspülung wiederverwendet, seine Wärme vorher über Wärmetauscher zurückgewonnen. Die Gänge sind nur schwach beleuchtet, und überall im Haus leuchten anstelle von Glühbirnen energiesparende LEDs.

Nach einem Jahr soll erstmals Bilanz gezogen werden. Michael Vogt leitet für die Betreiberfirma Derag Livinghotels die Hoteltechnik. Er rechnet damit, dass das Haus 75 bis 80 Prozent weniger Energie für Licht, Heizung und Warmwasser verbraucht als ein konventionelles Hotel. So kann sich das Gebäude nahezu selbst versorgen. Allerdings muss trotzdem Strom zugekauft werden, denn die Menschen im Hotel verbrauchen zusätzliche Energie, etwa wenn sie ihren Computer einschalten, mit dem Aufzug fahren oder den Kaffee-Automaten benutzen.

4,3 Millionen Euro hat Derag investiert, um das ehemalige "Haus am Blumenmarkt" zum Hotel "Campo dei Fiori" umzubauen. Ein konventionelles Hotel hätte rund 20 Prozent weniger gekostet und wäre schneller fertig geworden. So zog sich der Umbau hin, erst am 16. September wurde eröffnet - vier Monate später als geplant. "Wir haben so viel neue Technik eingebaut, dass der ursprüngliche Termin im Mai nicht zu halten war", sagt Hoteldirektor Ole Kloth.

Das System der dezentralen Wassererhitzer etwa wurde überhaupt zum ersten Mal eingerichtet. Der Herstellerfirma Colt wird die Anlage vier Jahre lang in Zusammenarbeit mit Studenten und Dozenten der Fachhochschule Rosenheim erproben.

Der Betreiber ist erleichtert, dass bislang alles so klappt wie erhofft. "Bis zum 15. September waren wir nicht sicher, ob im fünften Stock wirklich warmes Wasser aus dem Hahn kommt", sagt Michael Vogt. Ganz fertiggestellt ist das Hotel allerdings immer noch nicht. Im Treppenhaus fehlt noch etwas Farbe, und der jetzige Empfang ist nur als Hintereingang gedacht. Betreten sollen die Gäste das Hotel später auf der anderen Seite des Straßenblocks, über die Frauenstraße. Hier baut die Derag ein weiteres Gebäude um - ebenfalls zum "Null-Energie-Hotel".

© SZ vom 01.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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