Neuaubing:Forscher im Netz und auf der Straße

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Spuren können junge Forscherinnen auch mit digitalen Methoden ausmachen. (Foto: Catherina Hess)

Kinder und Jugendliche entdecken ihre Viertel mit Stift und Tablets neu. Das mobile Angebot ist unter der Federführung der Spiellandschaft Westkreuz entstanden

Von Ellen Draxel, Neuaubing

Robert sitzt auf einer Bierbank und dreht einen blauen Stift in der Hand. Was soll er zuerst ausmalen? Die Buchstaben? Oder besser den Hintergrund? Vor dem Sechsjährigen liegt eine Schildmütze aus Karton - "Forscher" ist darauf zu lesen. Robert will Stadtteil-Entdecker werden. Und das hier ist Station eins.

Ein paar Meter weiter hat Carla Kypke von der Spiellandschaft Westkreuz zehn Mädchen um sich geschart. Gruppenweise drückt sie den Acht- bis 13-Jährigen Tablets in die Hand, die Basis einer medialen Schnitzeljagd. Lucys Abenteuer hat die Pädagogin auf dem Datenträger gespeichert, eine von ihr selbst erfundene Geschichte. Erstes Etappenziel ist eine Treppe. "Ich weiß, wo die ist", ruft Eyleen und rennt los. Von der Kinder- und Jugendfarm Neuaubing aus geht es zum Ladenzentrum an der Wiesentfelser Straße über den Indianerspielplatz bis zum Aussichtsturm Freiham. Dazwischen wird fotografiert, werden QR-Codes eingescannt und auf Details geachtet, die den Kindern bisher so noch nie aufgefallen sind. "Entdecker gesucht" nennt sich das Projekt, das an diesem Nachmittag auf der Neuaubinger Farm Station macht. Noch bis Ende Oktober streifen Kinder zwischen sechs und 13 Jahren durch Aubing, Neuaubing und das Westkreuz, immer auf der Suche nach spannenden Stadtteilnews. Mal sind sie künstlerisch unterwegs, mal auf Naturerkundungspfaden. Die Forscherreise kann analog mit Papier und Stift stattfinden - oder eben mithilfe digitaler Medien.

"Wir wollen die Kinder anregen, ihre gewohnte Umgebung aus einer neuen Perspektive wahrzunehmen", sagt Kypkes Kollegin Sandrina Felder. "Indem sie Sachen ausprobieren, die man sonst nie macht." Asphalt oder Mülleimerdeckel durchpausen zum Beispiel. Herbstlaub unter ein Blatt Papier zu legen und mit Buntstift drüber malen, das kennen die Schüler noch aus dem Kindergarten. Aber die Struktur von Wänden oder Gullideckeln dokumentieren?

"Es kommt nicht auf die Perfektion an, sondern auf Kreativität", erklärt die Dritte im Spiellandschaft-Team, Esther Ruthenfranz. Bei Exkursionen ins Viertel entstehen zauberhafte Gemälde, erzählt aus dem persönlichen Blickwinkel des Künstlers. Jonas zum Beispiel. Der Fünfjährige hat ein kariertes Kleid gezeichnet. Detailgetreu, jedes Karo ist einzeln gesetzt. "Er stand lange vor dem Schaufenster, um sich sein Motiv einzuprägen", erinnert sich Esther. Oder Amanda. Sie hat einen Schneemann gemalt. Weil es sie so fror, als sie mit dem Entdeckerteam unterwegs war.

Freiwillig und offen ist das mobile Angebot, das sieben Bündnispartner unter der Federführung der Spiellandschaft Westkreuz an wechselnden Orten veranstalten. Die Neuaubinger Stadtbibliothek ist als Organisator ebenso dabei wie die Pädagogische Aktion Spielkultur, der Hort an der Reichenaustraße, das Kindertageszentrum (Kitz) an der Wiesentfelser Straße und die Kinder-und Jugendfarm. Bei digitalen Fragen hilft der Verein SIN-Studio.

"Bildung", weiß Sandrina Felder, "hat viele Gesichter". Haptische und akustische, optische, olfaktorische und intellektuelle. "Wir stellen aus Beeren Farben her. Wir mixen Lehm-Mehl, Erde und Blumensamen zu Kugeln und werfen die Samenbomben dorthin, wo es noch nicht bunt genug ist." Die siebenjährige Pia hat eben entdeckt, dass Tiere auch in Gegenden, wo man sie nicht erwartet, mindestens ebenso präsent sind wie Menschen. Die Spinne, die sie stolz in ihrer Becherlupe präsentiert, fand sie an einer Hausmauer.

Mitmachen bei "Entdecker gesucht" kann jeder. Anmeldungen sind nicht erforderlich. "Wenn wir mit einer Gruppe durch den Stadtteil streifen, picken wir oft Kinder auf, die ihre Komfortzone für das Projekt verlassen und mit uns mitgehen", erzählt Felder. Umgekehrt kann es auch so sein wie bei Carla Kypkes Lucy-Gruppe: Acht der zehn Mädchen brechen nach der Hälfte der Forscherreise ab und laufen zurück zur Farm. Aus gutem Grund: Sie sind Tierpflegerinnen und müssen sich um ihre Ziegen und Pferde kümmern.

Wer Lust und Zeit hat, findet das Entdecker-Team von 5. bis 8. Oktober im Tagesheim an der Limesstraße 38, am 9. und 10. Oktober auf der Neuaubinger Kinder- und Jugendfarm (Wiesentfelser Straße 59) und von 14. bis 16. Oktober am Aubinger Wasserturm. Jeweils zwischen 14 und 18 Uhr. Sonderaktionen finden außerdem noch an drei Nachmittagen jeweils zwischen 15 und 17.30 Uhr auf der Kinder- und Jugendfarm statt: Am 16. Oktober lernen Teilnehmer alles übers Feuer. Und am 17. Oktober geht es um die Schafwolle - wie man sie wäscht, färbt, kämmt und kreativ verarbeitet.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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