Münchner Unglücksorte:Blumenmeer und Schlussverkauf

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Vereinzelt werden vor dem OEZ auch jetzt noch frische Blumen abgelegt. Vor zwei Wochen erschoss ein 18-Jähriger ganz in der Nähe neun Menschen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Während der McDonald's geschlossen bleibt, kehrt im OEZ nach dem Amoklauf der Alltag zurück

Von Andreas Schubert

Freitagvormittag, zwei Wochen nach dem Amoklauf des 18-jährigen David S.: Das Blumenmeer, das unmittelbar vor dem OEZ, dem Olympia-Einkaufszentrum, an die neun Opfer erinnert, ist inzwischen verwelkt. Es regnet, und der recht zerzauste Stoffpanda, der inmitten von erloschenen Grabkerzen und braunen Rosenblättern sitzt, scheint gegen die Tristesse an der Hanauer Straße anzulächeln. Wer genauer hinschaut, sieht, dass noch immer Menschen vereinzelt frische Blumen am Tatort ablegen. Ein kleiner Topf mit Margeriten hier, eine große Sonnenblume da.

Der Straßenabschnitt zwischen dem OEZ und dem bis auf weiteres geschlossenen McDonald's wird in den Köpfen der Münchner noch lange ein Tatort bleiben - unabhängig von dem Denkmal, das nach dem Willen des Stadtrats aufgestellt werden soll. Die Fast-Food-Filiale ist abgeriegelt, nur die schwarzen Planen an den Gittern sind inzwischen verschwunden. Die Fenster jedoch sind mit Folien abgedeckt. Über die Tat werden auch zwei Wochen später noch immer neue Details bekannt. An der Segafredo-Bar im Untergeschoss des OEZ sitzt ein älterer Herr mit einer Boulevardzeitung in der Hand und liest eine Geschichte über den Mann, der David S. nach seiner Tat beschimpft hatte und dessen derbes Bairisch per Video berühmt wurde. Dafür hat er eine Anzeige bekommen. Darauf angesprochen, meint der Leser kopfschüttelnd: "Jetzt spinnens alle."

Ansonsten nimmt alles im Einkaufszentrum seinen gewohnten Gang. War die Stimmung bei der Wiedereröffnung drei Tage nach der Tat noch spürbar gedrückt und einige Läden noch geschlossen, so erinnert in der Shoppingmeile inzwischen nichts mehr an den Amoklauf. Wo das Kondolenzbuch auslag und die Trauerandacht stattfand, ist nun eine Aktionsfläche für Herrenhemden. Es ist "Sale" im OEZ - Schlussverkauf. Die Sommerware muss raus und die Kunden lassen sich offenbar nicht bitten. Aus der U1 steigen gegen Mittag Hunderte Menschen, die meisten mit entspannten Gesichtern. Wer direkt von der U-Bahn durch den Kaufhof ins OEZ geht, kommt nicht an den verwelkten Blumen vorbei. Es ist für viele ein ganz normaler Einkaufstag im Ferienmonat August.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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