Münchner Stadtteile: Giesing:Geschichte, Daten, Fakten

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Giesing wird derzeit saniert, und Mietshäuser in teures Eigentum umgewandelt. Aber es gibt sie noch, die ursprünglichen Ecken. (Foto: Fischhaber)

Den Charme eines Arbeiterviertels hat sich Giesing bis heute bewahrt - auch wenn es immer mehr junge Kreative und Familien in das noch bezahlbare Viertel in Zentrumsnähe zieht.

Anna Fischhaber

Die Entwicklung Giesings ist untrennbar mit dem Aufstieg Münchens verknüpft, auch wenn das Viertel mehr als 400 Jahre älter ist - erstmals erwähnt wurde "Kyesinga" bereits im Jahr 790. Die Großprojekte Frauenkirche und Altes Rathaus zogen im Mittelalter viele Tagelöhner an, denen München allerdings das Niederlassungsrecht verwehrte. Und so schlugen die Arbeiter ihre Schlaflager in den Vorstädten am gegenüberliegenden Isarufer auf. Bald galten Giesing und die Au als soziale Brennpunkte, in denen Kleingauner und Bettler ihr Unwesen trieben. Zudem machten die Hochwasser der Isar das Leben am Fuße des Giesinger Berges über Jahrhunderte hinweg schwer.

1818 wurde Giesing, eigentlich Obergiesing und die Dörfer Harlaching und Menterschwaige, zur Gemeinde, der Ortsteil Untergiesing war vier Jahre zuvor der Au zugeschlagen worden. Im Alltag verschwommen die Grenzen zwischen Au, Untergiesing und Obergiesing bald, im Bewusstsein der Menschen lebten sie allerdings als soziale Abstufungen weiter. Bis heute fragen Münchner gerne, ob man denn nun in Obergiesing - das nach wie vor als Arbeiterviertel gilt - oder Untergiesing - das derzeit eine Aufwertung erfährt - wohnt.

Mit der Eingemeindung von Giesing, Haidhausen und der Au im Jahr 1854 verdoppelte sich die Fläche Münchens. Giesing, die südlichste der drei Vorstädte, war flächenmäßig die größte. Viele Einrichtungen, die in München nicht gerne gesehen waren, verbannte man nun an den damaligen Stadtrand nach Giesing: 1821 beispielsweise wurde der Ostfriedhof eröffnet. Die 1892 erbaute Strafanstalt Stadelheim war bis in die NS-Zeit berüchtigt, mehr als tausend Hinrichtungen sind allein während des Dritten Reiches dokumentiert. Auf dem Friedhof am Perlacher Forst direkt neben dem Gefängnis wurden die Hingerichteten begraben - so auch Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst von der Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Zum politischen Schauplatz war Giesing allerdings schon 1919 geworden - damals kämpfte hier die Rote Armee gegen die Weißgardisten und zahllose Unterstützer der Münchner Räterepublik wurden niedergemetzelt.

1936 wurde Giesing schließlich in Obergiesing und Untergiesing-Harlaching geteilt, das änderte allerdings wenig daran, dass im Bewusstsein der Bewohner Giesing ein Viertel blieb. Wenn auch mit vielen Gesichtern: Dass Giesing einst ein Arbeiterviertel war, sieht man heute vor allem noch in Obergiesing. Neben den kleinen Siedlungen rund um den Fasangarten gibt es oberhalb des Giesinger Berges noch immer viele eher trostlose Wohnblocks. Allerdings auch einige durchaus schöne Ecken. Der Vorteil: Die Mieten sind im Vergleich zu anderen Wohngebieten im Zentrum relativ günstig. Das an der Isar gelegene Untergiesing durchlebt gerade einen Aufschwung. Rund um den Kolumbusplatz wird saniert, immer mehr Mietwohnungen werden in teures Eigentum umgewandelt, im Erdgeschoss machen sich Architekturbüros und hippe Grafikerklitschen breit. Alteingesessene organisieren inzwischen sogar Demonstrationen gegen die Gentrifizierung. Damit es sie auch weiterhin gibt: die rauen Ecken in Giesing.

Daten und Fakten: Obergiesing

Fläche: 572,04 Hektar hat Obergiesing. 32,95 Hektar davon - und damit nur sechs Prozent - sind unbebaute Grünfläche. Allerdings verfügt das benachbarte Untergiesing-Harlaching über ganze 205,68 Hektar Erholungsfläche - eine Fläche, die fast halb so groß wie ganz Obergiesing ist

Bevölkerung: 49.030 Menschen leben in Obergiesing, das entspricht etwa vier Prozent der Münchner Gesamtbevölkerung, zusammen mit Untergiesing-Harlaching sind es sogar acht Prozent. Der Ausländeranteil ist mit 27,9 Prozent in Obergiesing überdurchschnittlich hoch.

Verkehrsanbindung: Die U2 fährt durch Obergiesing (Haltestellen: Silberhornstraße, Untersbergstraße, Giesing), am Bahnhof Giesing halten auch die S-Bahn-Linien 3 und 7

Kultur und Bildung: In Obergiesing gibt es vier Bibliotheken und ein Kino, aber kein Museum oder Theater

Kinderbetreuung: In 30 Einrichtungen werden 1810 Kinder betreut

Daten und Fakten: Untergiesing

(folgende Zahlen beziehen sich auf den 18. Stadtbezirk, zu dem neben Untergiesing auch Harlaching gehört)

Fläche: 805,66 Hektar hat Untergiesing-Harlaching. 205,68 Hektar davon, also ganze 26 Prozent, sind Grünfläche. Dazu kommen 5,32 Hektar Wasserfläche. Damit hat Untergiesing-Harlaching den drittgrößten Erholungsanteil unter den Münchner Stadtbezirken

Bevölkerung: 49.502 Menschen leben in Untergiesing-Harlaching, das entspricht etwa vier Prozent der Münchner Gesamtbevölkerung, zusammen mit Obergiesing sind es sogar acht Prozent. Der Ausländeranteil ist mit 19,3 Prozent in Untergiesing-Harlaching eher niedrig

Verkehrsanbindung: Die U1 fährt durch Untergiesing (Haltestellen: Kolumbusplatz, Candidplatz, Wettersteinplatz), zudem gibt es einen Bus vom Tierpark zum Marienplatz entlang der Pilgersheimer Straße

Kultur und Bildung: In Untergiesing-Harlaching gibt es drei Bibliotheken, allerdings kein Kino, Museum oder Theater

Kinderbetreuung: In 35 Einrichtungen werden 1644 Kinder betreut

(Stand: 31.12.2009, mit freundlicher Unterstützung des Statistischen Amtes der Landeshauptstadt)

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Anna Fischhaber

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