Münchner Momente:Wehe euch, Otterngezücht!

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Das Erzbistum ist nun auch auf Facebook. Endlich die Gelegenheit zu einer Streitkultur mit Stil

Von Jakob Wetzel

Für ihre Verhältnisse ging das geradezu rasant. Erst im Februar 2015 sagte die katholische Kirche, sie wolle sich stärker für die sozialen Medien öffnen, und schon im August 2016 ist es soweit: Das Erzbistum München und Freising hat ab sofort einen Facebook-Account. Der erste Post zeigt den alten Bischof Korbinian mit Bär, sie wandern hin zu einer jubelnden Menge, es regnet Konfetti und Facebook-Symbole. Darüber steht: "Liked unsere Facebookseite wie Josef Maria, teilt uns wie Moses das Meer, schreibt uns wie Paulus den Philippern und sagt Euren Freunden Bescheid, dass wir nun auch endlich auf Facebook vertreten sind." Und in der Tat ist das allerhöchste Zeit. Facebook hat die Kirche derzeit dringend nötig.

Denn das soziale Netzwerk ist längst zu einer Bühne geworden für Menschen, die ihre Emotionen nicht im Griff haben. Die Kirche hätte insofern auch schreiben können: Lest uns die Leviten! Verjagt uns aus den Tempeln, verdammt uns wie der Herr die Priester in den Büchern der Propheten! Wenn man so will, ist das Prinzip von Facebook mittlerweile der Shitstorm, und das wird auch die Kirche nicht ändern. Aber zumindest eines kann sie bieten: etwas Niveau.

Bislang nämlich geht es im Netz nicht nur grob, sondern auch vulgär zu. Aus einem Gastronomen wird rasch der "feige, miese Wirt einer linksversifften Spelunke". Die S-Bahn wird fast schon regelmäßig zur "Scheiß-Bahn". Und "Shitstorm" brachte es vor Jahren gar zum Anglizismus des Jahres. Wie viel eleganter klingt da, was in der Bibel zu lesen ist. "Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen", heißt es etwa im Hohelied, und das ist noch als Kompliment gedacht. "Deine Zähne sind wie eine Herde Mutterschafe, die aus der Schwemme steigen", geht es weiter, und: "Deine Nase ist wie der Turm im Libanon", gemeint ist ein Berg.

Jetzt, mit der Kirche an Bord, hat Facebook also endlich die Chance zu einer Streitkultur mit Stil. Die derbe "Scheiß-Bahn" bräuchte man dann nicht mehr, vielmehr könnten sich die Nutzer gegenseitig drohen, sich zu "zertreten wie Gassenkot". Beamte wären keine "korrupten Arschlöcher" mehr, sondern "schlimmer als Dornengestrüpp". Und wer sich Luft machen muss, könnte sich an Jesus Christus selber halten. Das klänge etwa so: Wehe euch, ihr blinden Heuchler, ihr Nattern, ihr Otterngezücht! Ihr seid wie die Gräber: außen schön weiß angestrichen, aber innen alle verrottet.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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