Münchner Momente:Voll unterirdisch

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Zwei CSU-Stadträte fordern einen Künstler-Friedhof für München. Sie weisen damit auf ein Grundproblem der Stadt hin: München ist zu voll

Von Kassian Stroh

Was für Bayern die Walhalla ist, ist für München der Friedhof von Bogenhausen. In der einen wird großer Deutscher gedacht in Form von Tafeln und Marmorbüsten, im anderen liegen berühmte Münchner bestattet. Beide eint die Platznot: In der Walhalla sind nur noch vier Büstenstandorte frei, der Bogenhauser Friedhof ist voll. Die CSU-Stadträte Richard Quaas und Hans Theiss richten nun unser aller Blick auf diesen Missstand. Sie fordern einen Künstlerfriedhof für die Stadt, eine spezielle Abteilung in einem der Großfriedhöfe, um dort "anerkannten und bekannten Künstlern" eine Grabstätte zu bieten. Das geschieht in weiser Voraussicht, denn in Bayern zanken sich ja CSU und SPD, welcher ihrer jeweiligen Urväter Wilhelm Hoegner und Franz Josef Strauß einen der raren Plätze in der Walhalla bekommt. Nicht dass derart kleinkarierter Zank dereinst noch München lähmt.

Nun wäre ein Künstlerfriedhof zwar die Abkehr vom Prinzip der wohnortnahen letzten Ruhe, das in München - von Bogenhausen abgesehen - seit je gepflegt wird und das etwa dazu führt, dass Ellis Kaut an diesem Mittwoch in Obermenzing bestattet wird. Friedhofstechnisch gesehen ist das Millionendorf München noch immer sehr dörflich. Von Vorteil aber wäre, dass insbesondere der Tourist an einer Stelle zentral gedenken könnte, wollte er Ellis Kaut und Erich Kästner gleichermaßen seine Reverenz erweisen. Und würde der Künstlerfriedhof im Westen nahe der A 96 situiert, dann könnte der Tourist japanischer Ausprägung dies tun, ohne dass sich sein Bus, von Neuschwanstein her kommend, durch den Stadtverkehr quälen müsste. (Pierre Brice liegt da übrigens schon, in Gräfelfing an der A 96.)

Das aber ist Nebensächliches, vielmehr zeigt die Initiative der Herren Quaas und Theiss wieder einmal das Grundproblem Münchens auf: Die Stadt erstickt an ihrem eigenen Erfolg. Sie ist zu schön, sie ist ökonomisch zu potent, sie ist zu voll. Ihre Grundstücke sind alle bebaut, ihre Krippenplätze weg, ihre Straßen zu voll, von den S-Bahnen ganz zu schweigen - wenn sie denn mal fahren. Und nun zeigt sich auch noch: Die Münchner sind zu intellektuell, zu feingeistig, zu berühmt, als dass die Stadt ihre vielen Künstler noch adäquat unter die Erde bringen könnte.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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