Münchner Momente:Stunk um den Haustrunk

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Brauer kriegen Freibier von ihrem Arbeitgeber. Nur manche Ehefrau zu Hause macht das nicht so froh

Kolumne von Johann Osel

Dem Stammtisch wird ja oft ein besonderes Sensorium für die wirklich wichtigen Themen nachgesagt. Folgerichtig hatte Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch angekündigt, die "Lufthoheit über den Stammtischen" für seine CSU wieder zu erringen. Neulich in einem Giesinger Bierlokal, das einen Lexikoneintrag unter dem Schlagwort "Boazn" verdient, war vom Nebentisch ein solcher Stammtisch zu beobachten. Mehrere Brauer saßen dort beisammen, man kümmerte sich um zentrale Dinge des Lebens: Nein, nicht um Flüchtlinge oder anderweitige tagespolitische Fragen, kein Trump, kein Putin und kein Erdoğan erhitzten die Gemüter, was letztlich nur mit reichlich Hellem abzukühlen war - vielmehr sorgte nur eine Frage abendfüllend für Gesprächsbedarf: der Haustrunk und eine Neuerung dabei.

Für Unkundige: Wer in einer Brauerei arbeitet, erhält in der Regel Haustrunk, quasi Mitarbeiter-Freibier. Mindestens 36 Liter im Monat sollen es laut Tarifvertrag sein, viele Firmen gönnen der Belegschaft aber deutlich mehr. Auch lässt sich der Freitrunk in Limo und Wasser ergattern. Alles bestens also, wäre da nicht beklagte Änderung, durch welche es nicht mehr Cola und Orangensaft als Flüssiglohn gebe. "Mei Weibe dahoam", doziert einer, also die werte Gattin zuhause, "sauft aber nur Cola und Orangensaft"; und das gehe nun ins Geld. Ob nicht - Frage von nebenan - die Gattin Spezi oder gelbes Limo trinken mag, das gebe es doch noch. "Da kennt's Ihr mei Weibe schlecht", lautet die resignierte Antwort. Ja, wenn nur alles wäre wie früher, stimmt die Runde ein in das Lamento. Es folgen kurze Themenwechsel, immer wieder aber wird das Gespräch auf den Knackpunkt allen Daseins zurückkehren - die Trinkgewohnheiten vom "Weibe dahoam".

Herr Söder, übernehmen Sie! Möchte man der wahlkämpfenden CSU empfehlen. Doch hat sich diese beim Thema Haustrunk schon mal die Finger verbrannt. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die CSU-Politikerin Marlene Mortler, hatte vergangenes Jahr den Haustrunk in Frage gestellt. "Zahlungsmittel in Europa ist der Euro", sagte sie da. Dass der Bayer, wenn's ums Bier geht, bierernst wird, ist bekannt. Hier aber gab es einen Sturm der Entrüstung. Die Beauftragte ruderte zurück, fühlte sich missverstanden - sie habe nur auf die laut Statistik sinkenden Haustrunkabsätze hinweisen wollen. An besagter Giesinger Runde liegt das aber garantiert nicht.

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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