Münchner Momente:Schluss mit dem Rosenquatsch

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Das Kreisverwaltungsreferat hat bei heiratswilligen Paaren nicht den besten Ruf. Völlig zu Unrecht: An keinem anderen Ort der Stadt versammeln sich Menschen in solch verschiedenen Lebensphasen. Das ist echt, das ist real

Von Christiane Lutz

Das Kreisverwaltungsreferat München hat nicht den besten Ruf. Es hat immer geschlossen, wenn man mal was braucht. Hat es geöffnet, ist es voller Menschen, die das Gleiche wollen, wie man selbst, aber dafür viel länger brauchen. Außerdem ist das KVR "hässlich" und "unromantisch". Finden zumindest viele heiratswillige Paare, die darüber nachdenken, welcher Rahmen für ihre außergewöhnliche Liebe der annähernd angemessene ist. "Ja, ich will" hauchen, während nebenan entnervte Münchner auf den letzten Drücker biometrische Passfotos für ihren Reispass machen? Dann doch lieber im Trausaal an der Mandlstraße heiraten, der schönen Schwester des KVR direkt am Englischen Garten. Oder gleich auf der Roseninsel im Starnberger See, wo kein Alltag und kein Pöbel stört. Pure Entrückung, pure Realitätsferne, das ist doch das Geheimnis jeder funktionierenden Ehe.

Alles Quatsch. Wer es ernst meint mit "ja, ich will", sollte den Rosenquatsch sein lassen und sich für eine Trauung im KVR entscheiden. An keinem anderen Ort der Stadt versammeln sich Menschen in solch verschiedenen Lebensphasen, wie im KVR. Das ist echt, das ist real. Auch die einzelnen Hochzeitspaare und ihr Anhang, die dort stündlich weggetraut werden, sehen so unterschiedlich aus, Proll-Bräute, Hipster-Hosen-Träger, Hochglanz-Trachten, dass man als Gast sofort bei der Ankunft weiß, zu welcher Gruppe man gehört. Vor dem Grau des KVR-Gebäudes wirken bunte Kleider besser als vor Rosensträuchern und der Trausaal mit dazugehöriger Terrasse bieten einen tollen Ausblick über die Stadt, ehrlich wahr.

Bleibt nur noch zu entscheiden, zu welchem Song man einfahren will in den Hafen der Ehe. Glücklicherweise hilft das KVR auch da mit einer Musikliste. Da gibt es zum Beispiel das stimmungsvolle "With or without you", von U2, in dem es sinngemäß heißt: "Ich kann nicht ohne dich, aber mit dir erst recht nicht." Oder besser der Kuschel-Klassiker von AC/DC: "Highway to Hell". Das ist so frei von Kitsch, dass es fast schon wieder romantisch ist. Wie das KVR.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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