Münchner Momente:Prost, Hauptbahnhof

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Der Oberbürgermeister hat in einem subversiven Akt vorerst das Alkoholverbot am Hauptbahnhof verhindert. Die OSZE kann trotzdem zuhause bleiben

Von Heiner Effern

Natürlich lässt solch ein subversiver Akt die bayerische Seele höher schlagen, gerade in der Weltstadt des Bieres. Geschickt hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) seine Unterschrift vergessen und so das nächtliche Alkoholverbot am Hauptbahnhof vorerst verhindert. Die nötige offizielle Ankündigung im Amtsblatt erschien Anfang Januar sozusagen unten ohne. Wenn OB Reiter nun offiziell mitteilen lässt, seine Rechtsabteilung sei schuld, weil die zu spät seine Unterschrift anfragte, müssen wir das an dieser Stelle als durchsichtiges Täuschungsmanöver einordnen.

Eine solche Panne kann man allein deshalb ausschließen, weil sich die Stadt sonst an die Seite zweifelhafter politischer Protagonisten stellen würde. Zwei Beispiele seien angeführt: Das einstige CSU-Starlet Gabriele Pauli, geachtet als Landrätin, bestaunt als Stoiber-Kritikerin, gefallen als Lady Gaga, scheiterte beim politischen Neustart an einem fehlenden Namenszug. Dabei hatte sie mit der Freien Union eine eigene Partei für die Bundestagswahl 2009 gegründet, die nötigen 2000 Unterschriften (!) in Bayern gesammelt und fünf Minuten vor Fristende eingereicht. Nur eine Unterschrift fehlte in den Unterlagen. Ihre eigene. Das österreichische Volk wiederum schaffte es nicht nur, seine Bundespräsidentenwahl im Sommer 2016 so zu verschludern, dass sie wiederholt werden musste. Bei der Abstimmung waren zudem mehr als 37 000 Briefwahl-Stimmen ungültig, weil die nötige Unterschrift auf der beiliegenden Wahlkarte fehlte. Ob viele dafür gleich direkt auf dem Stimmzettel unterschrieben, ist nicht bekannt. Wegen der Unregelmäßigkeiten schickte die OSZE für die Neuauflage im Dezember vier Beobachter. Die Zeitung Der Standard sorgte sich, ob Österreich nun als "Bananenrepublik" gelte. OSZE-Chefbeobachter Harald Jepsen antwortete: "Kein Kommentar."

Da in München aber keine Panne, sondern offensichtlich eine Art Notwehr vorliegt, können Harald Jepsen und sein Team vorerst zu Hause bleiben. OB Reiter wird weiterhin ohne Bananenverdacht regieren, bei Bedarf seine Unterschrift vergessen und das Volk oder wenigstens einen kleinen Teil davon glücklich machen. Prost, Hauptbahnhof.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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