Münchner Momente:Ja, varreck!

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Der "Cirque du soleil" kommt nach München und hat für sein Gastspiel schon plakatieren lassen. Die Aufschrift allerdings verwirrt

Von Stephan Handel

Der "Cirque du soleil" kommt mal wieder nach München im Dezember, das ist so ein Zirkus, der darauf verzichtet, Elefanten Kopfstand machen und Clowns auf den Hintern plumpsen zu lassen. Vielmehr blasen die Artisten beim Cirque du soleil ganz, ganz große Seifenblasen auf, in denen sie dann Salti schlagen, und die Seiltänzer zitieren während des Seiltanzens Rilke. Deshalb, und weil alles noch schön beleuchtet ist, heißt das dann poetisch.

Für sein Gastspiel hat der Zirkus schon plakatieren lassen überall in der Stadt. Die Figur auf dem Plakat schaut aus wie ein besoffener Batman, interessanter aber ist der Name des Programms: "Varekai" heißt es nämlich. Das soll angeblich ein Wort aus der Sprache der Roma sein. Der Bayer allerdings weiß das besser. Er ist zunächst ein bisschen verwirrt, wenn er das Plakat und den Titel zum ersten Mal sieht: Im Bairischen nämlich schreibt man das Wort, das er sieht, ganz anders, nämlich "Varreckei". Der Wortstamm dahinter ist natürlich "verrecken", was aber in diesem Zusammenhang nicht unflätig ist, sondern ein Beleg für die Fähigkeit des Bairischen, das Zärtliche auch im Groben zu entdecken. Ein Varreckei kann vielerlei sein, auf jeden Fall ist es etwas Kleines: ein schwächliches Tier, ein dünnes Bäumchen, und dass es mit dem deftigen Wort fürs Sterben in Verbindung gebracht wird, hat nichts mit Missachtung zu tun, sondern im Gegenteil - liebevolles Mitleid schwingt mit im Verreckerl, in übertragener Bedeutung kann das Wort sogar einen lustigen Sinn annehmen: ein untermotorisiertes Fahrzeug etwa kann ebenfalls ein Verreckerl sein, weil der Passagier darin ja eher stirbt, bevor er an seinem Ziel ankommt.

Ob die Leute vom Cirque du soleil das bedacht haben, als sie ihrem Programm diesen Namen gaben, "Varekai"? Wahrscheinlich nicht, sie haben das Wort vorschriftsmäßig auf der ersten Silbe betont, so dass ihnen die - bairische - Sinnverschiebung entging, die entsteht, wenn der Ton auf der zweiten Silbe liegt. Dem Freund des Zirkus', des poetischen noch dazu, wird das vom Besuch der Vorstellungen natürlich nicht abhalten, und wenn der Salto in der Seifenblase geglückt ist, dann entfährt ihm vielleicht ein ganz unpoetisches: Ja, varreck!

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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