Münchner Momente:Germering leuchtet

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Wintermotive statt Engeln: In Sachen Illumination kann München noch einiges von der Weltmetropole Germering lernen. Und es wäre höchste Zeit dafür

Von Wolfgang Görl

Jetzt, Ende Juni, wird es allmählich Zeit, an Weihnachten zu denken. Weihnachten, dies zur Erinnerung und Belehrung, ist das Fest, mit dem die Christenheit die Geburt des Gottessohnes feiert, gern mit einschlägigen Liedern unterm Tannenbaum und anschließendem Familienkrach. Dem Weihnachtsabend geht eine mehrwöchige Shoppingorgie voraus, für die sich altmodische Städte wie München mit Engeln, Sternen von Bethlehem und anderen weihnachtlichen Leuchtkörpern schmücken.

In der hippen Metropole Germering aber will man sich mit den doch irgendwie christlichen Motiven nicht länger beschweren, dort soll die Weihnachtsbeleuchtung künftig nicht mehr Weihnachtsbeleuchtung sein, sondern Winterbeleuchtung. Der bisherige Lichterschmuck, so schreibt die Verwaltung in ihrer Stadtratsvorlage, sei "nicht mehr zeitgemäß". Germering-City mit "klassischen Weihnachtsmotiven" zu illuminieren, komme deshalb nicht mehr in Frage, stattdessen werde man die Nacht mit "Wintermotiven" in LED-Technik erhellen.

Ehe jetzt die üblichen Untergang-des-Abendlandes-Schreier losheulen, die altbewährte christliche Beleuchtung werde abgeschafft, um sich bei Muslimen oder Atheisten einzuschmeicheln, ein Wort zur Klärung: Die Germeringer verzichten auf Weihnachtsmotive, weil die Stadt länger leuchten soll - von Mitte November bis Ende Januar. Bitte, das muss man verstehen: Wenn am 25. Januar noch immer Engel und Sterne von Bethlehem in Germerings Einkaufsstraßen herumhingen, sähe es so aus, als hätte der städtische Lampenbeauftragte vergessen, die Weihnachtsbeleuchtung abzunehmen. Das wollen sich die Germeringer nicht nachsagen lassen, deshalb greifen sie zu Wintermotiven, mit denen man notfalls auch bis Ostern durchkäme.

München, das altbackene München, kann von der kaufmännischen Cleverness der Germeringer nur lernen. Zum Beispiel der Christkindlmarkt am Marienplatz: Ist doch nicht mehr zeitgemäß, so ein lukratives Geschäftsmodell lediglich auf die Adventswochen zu beschränken. Als "Wintermarkt" könnte er locker bis Ende Januar durchhalten, illuminiert von verkaufsfördernden Lampen, etwa in Form von Glühweinflaschen oder Bratwürsten - damit die Münchner nach Weihnachten nicht nach Germering fahren müssen, um etwas Schönes zu sehen.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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