München:Um 13 Uhr schlägt's fünf nach zwölf

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Der Mangel an Pflegekräften ist eines der größten Probleme bei der Krankenhaus-Organisation - mehr noch in einer teuren Stadt wie München. (Foto: Sebastian Widmann/dpa)

Mit einer Mittags-Aktion wollen an diesem Mittwoch Beschäftigte der Kliniken deutlich machen, wie viel Personal ihnen fehlt. Dass mehr Stellen nötig wären, finden auch Arbeitgeber - aber die Details sind strittig

Von Stephan Handel

Es ist ein Kreuz mit der Krankenhaus-Finanzierung, weil in dem Wust aus Fallpauschalen, Case Mix, Bund-/Länder-/Kostenträger-Zuständigkeiten kaum noch jemand durchblickt, schon gar nicht der Patient. Ein sogenanntes Krankenhaus-Strukturgesetz ist in Berlin gerade in den parlamentarischen Prozess eingespeist worden - es enthält, erstaunlich genug, recht viele recht konkrete Änderungen am bisherigen System, von denen befürchtet werden kann, dass sie wirken. Kein Wunder also, dass die beteiligten Gruppen nun eifrig dabei sind, ihre je eigenen Schwerpunkte und Vorstellungen in die Diskussion zu werfen. So am heutigen Mittwoch die Gewerkschaft Verdi mit einer bundesweiten Aktion - auch an Münchner Kliniken.

Die Gewerkschaft hat als größtes Problem fehlendes Personal ausgemacht, was sich ja nicht nur im vielfach bekannten Pflegekräfte-Mangel bemerkbar macht, sondern auch in sämtlichen anderen Sparten der im Krankenhaus Beschäftigten, von den Ärzten bis zu den Putzkräften. Die Zahl der fehlenden Stellen beziffert Verdi auf 162 000 in ganz Deutschland - und bei dieser Zahl setzt auch die Aktion an: Die teilnehmenden Kliniken haben Schilder mit Zahlen von 1 bis 162 000 erhalten, um 13 Uhr sollen möglichst viele Beschäftigte vor ihr Haus gehen und so viele Zahlen hochhalten, wie an ihrer Klinik neue Angestellte benötigt würden. Das Gesetz des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe beinhaltet zwar ein "Pflegeförderprogramm", dass nach Ansicht von Verdi-Mann Christian Reischl jedoch den Namen nicht verdient: 660 Millionen Euro sind vorgesehen, was sich erst einmal nach viel anhört - rechnet man diese Summe jedoch auf das einzelne Haus herunter, so bleiben für jede deutsche Klinik gerade einmal zwei bis drei neue Stellen übrig. Reischl: "Auch in München wird die Situation immer dramatischer. Der Pflegenotstand wird immer schlimmer. Es ist längst fünf Minuten nach zwölf."

An zehn Münchner Kliniken werden sich laut Verdi Beschäftigte an der Aktion beteiligen: Neuperlach, das Rechts der Isar, das Kinderzentrum in Großhadern, die Heckscher-Klinik, die Helios-Häuser Pasing und Perlach, das Klinikum für Naturheilweisen in Harlaching und die Klinik Dr. Schreiber in Bogenhausen sowie die beiden LMU-Häuser Großhadern und Innenstadt. Bei ihnen hat Reischl einen Personal-Fehlbestand von 700 Stellen ausgemacht.

Diese Zahl will Gerd Koslowski nicht unterschreiben, der kaufmännische Direktor des LMU-Klinikums. Aber: "100 bis 150 Leute würden wir schon einstellen, wenn wir könnten." Dem steht jedoch entgegen, dass es vor allem bei spezialisierten Kräften - also etwa Intensiv- oder Kinderpflegern - kaum Nachwuchs gebe, und dass dieser angesichts nicht gerade üppiger Gehälter nur mit Mühe ins teure München zu locken ist. Daran würde nach Koslowskis Meinung auch die Verdi-Forderung nichts ändern, Personal-Ausstattungen und -Quoten gesetzlich vorzuschreiben. Denn ob das Geld, das dafür von den Kostenträgern bezahlt werden müsste, tatsächlich in den Ausbau der Personal-Ausstattung fließt, bezweifelt Koslowski. Ihn als Vertreter einer Uni-Klinik drücken sowieso ganz andere Sorgen. Viele kleinere Häuser geben komplizierte, schwerwiegende Fälle gern nach Großhadern ab, und weil diese Patienten also kranker, älter, schwieriger zu heilen sind als der Durchschnitt, sinkt so die Ergebnisqualität, was wiederum heißt, dass Großhadern weniger Geld bekommt. Deshalb fordert Koslowski: "Wir brauchen einen Extremkostenzuschlag."

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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