München:Mit Mini, ohne Job

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Alleinerziehende haben es oft schwer auf dem Arbeitsmarkt. Eine Messe zeigt ihnen Wege auf - auch bei Wohnungssuche und Kinderbetreuung

Von Daniel Gözübüyük

Kinderwagen reihen sich wie Einkaufswagen an einer hoch frequentierten Supermarktkasse hintereinander. Mütter mit schreienden Babys auf dem Arm drängeln sich durch die Gänge, melden sich an Holztischen, Computern und davor sitzenden Menschen an. Zuvor geben sie ihre Kinder an einer Betreuungsstelle ab, die extra für diesen einen Tag eingerichtet wurde.

Zum siebten Mal hat das Jobcenter zur Informationsmesse für Alleinerziehende ins Berufsinformationszentrum an der Kapuzinerstraße eingeladen. Der Arbeitsmarkt floriert, die Arbeitslosenquote ist rekordverdächtig niedrig, und dennoch gibt es Menschen mit gravierenden Problemen. Menschen, die ohne Partner, ohne Wohnung, ohne Job, aber mit Kind dastehen. 3100 von ihnen hat das Jobcenter zu der Veranstaltung eingeladen, damit sie sich informieren, wie und wo sie vielleicht Fuß fassen könnten auf dem Münchner Arbeitsmarkt - und zwar so Fuß fassen, dass es auch mit der Kinderbetreuung klappt.

Vielfältige Informationen - ob für Berufswiedereinstieg, Coaching oder Kinderbetreuung. (Foto: Robert Haas)

Laut Statistik gibt es 27 000 Haushalte in München, in denen sich Mütter oder Väter alleine um ihre Kinder kümmern. Das sind etwa 20 Prozent aller Haushalte mit Kindern. 27 Prozent aller Münchner Alleinerziehenden sind auf Grundsicherung angewiesen. "Es geht nicht anders", sagt Ali Bulut, der seinen echten Namen nicht nennen möchte. "Ich will arbeiten und meiner Familie ein besseres Leben ermöglichen. Auch ich selber möchte glücklich sein. Doch das ist nicht möglich."

An 32 Messeständen boten Helfer Alleinerziehenden Unterstüzung an. (Foto: Robert Haas)

Seit zwei Jahren muss sich der Vater allein um seine sechs Kinder kümmern. Missmutig schlurft er als einer der wenigen Männer durch das Gebäude. Zuversichtlich ist er nicht: "Ich hoffe auf Hilfe, auf einen Job, ja. Doch es gibt erstens nicht viel für Männer und zweitens ist die Konkurrenz einfach zu groß." Junge Singles werden von Arbeitgebern bevorzugt, sagt der 38-Jährige. "Arbeitgeber schreckt ein Alleinerziehender von vornherein ab. Sie verlangen Flexibilität. Doch die habe ich mit Kindern einfach nicht." Dabei hat Bulut zwei Lehren hinter sich, hat lange Jahre zuerst als Elektroinstallateur, dann als technischer Zeichner gearbeitet. Voraussetzungen, die die meisten der arbeitsuchenden Alleinerziehenden nicht erfüllen. 67 Prozent von ihnen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, nur sechs Prozent besitzen einen Hochschulabschluss. "Bringen tut mir das trotzdem nichts. Egal, ob in Bewerbungsgesprächen oder auch hier: Ich fühle mich allein mit meinem Schicksal gelassen." Alle würden immer nur über alleinerziehende Mütter reden, sagt Bulut. Aber was sei mit den Vätern? Beide Geschlechter würden sich dasselbe Leid teilen. Beiden sollte auch im gleichen Maße geholfen werden. Mit Flyern in der Hand verabschiedet er sich. Zuhause warten seine Kinder auf ihn, eine Bekannte passt heute auf sie auf. "Zum Glück habe ich eine große Wohnung." Eine größere Wohnung - die hätte auch Ayan Hassan auch gerne.

Auch zum Thema Wohnungssuche beraten sie - wie im Falle von Ayan Hassan. (Foto: Robert Haas)

Die 28-Jährige, die 2010 aus Somalia nach Deutschland geflüchtet ist, wohnt mit ihrer elf Monate alten Tochter in einer winzigen Einzimmerwohnung in Sendling. "Wir haben nicht einmal Platz für eine Waschmaschine. Es ist wirklich nicht schön", sagt sie. Neben einer Wohnung sucht sie auch einen neuen Job. In ihrem alten wurde ihr gekündigt. "Ich war zuletzt beim Sicherheitsdienst tätig, habe bis zum sechsten Monat meiner Schwangerschaft dort geschuftet. Dann haben sie mich entlassen. Immer werde ich mit Jahresverträgen abgeschmiert. Alles, was ich möchte, ist Sicherheit. Für meine Tochter und mich."

Laut Sozialreferat sind Alleinerziehende signifikant häufiger von Armut betroffen als Paar-Haushalte. So liege das Armutsrisiko bei Letzteren nur bei 14 Prozent, bei Alleinerziehenden aber bei 42 Prozent. Je mehr Kinder, desto höher auch das Risiko, Sozialleistungen zu beziehen. Besonders im Alter drohen Alleinerziehenden ärmliche Verhältnisse. "Daher ist auch unser großes Ziel, die Menschen weg vom Minijob zu bekommen und in sozialversicherungspflichtige Berufe zu vermitteln", sagt Monika Stephan, Beauftragte für Chancengleichheit beim Jobcenter. "15 Jahre im Minijob bringen etwa 70 Euro monatliche Rente. Davon kann und soll vor allem niemand leben."

Die vielen Helfer hinter den 32 Ständen, die sich an diesem Tage in den Hallen des Jobcenters aufgestellt haben, wollen die Alleinerziehenden nicht nur über Chancen und Perspektive für den beruflichen Wiedereinstieg informieren, sondern auch Beratung zum Thema Coaching, berufliche Orientierung und Kinderbetreuung anbieten. Ein wichtiges Thema ist auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Das ist zum Beispiel für Zana Mahmood wichtig. Der kleine, gedrungene Mann kommt aus dem Irak. Er ist gelernter Maler. "Hier konnte ich bisher aber nur als Hotel-Putzkraft arbeiten, dazu nur nachts. Doch selbst das musste ich aufgeben, seit mein Kind bei mir ist", sagt Zana Mahmood.

Vor mehr als drei Jahren kam sein mittlerweile fünfjähriger Sohn, der zuvor bei der Großmutter in der Heimat gelebt hatte, nach München. "Natürlich möchte ich arbeiten, aber ich muss auf meinen Kleinen aufpassen. Die Situation ist nicht leicht." Erschwerend kommt die prekäre Wohnsituation des Irakers hinzu. Er hat wegen seiner Arbeitslosigkeit Schwierigkeiten eine neue Bleibe zu bekommen, seine Unterkunft entspricht nicht den Bedürfnissen eines alleinerziehenden Vaters. "Wir wohnen im Keller eines Mehrfamilienhauses. Eine Zweizimmer-Wohnung, die wir uns mit einem anderen Mann teilen. Mein Sohn und ich wohnen auf nur sieben Quadratmetern - ich wünschte, wir würden etwas Besseres finden. Aber ich denke, das wird schon. Ich bin da zuversichtlich." Der 33-Jährige zeigt mit ausgestrecktem Arm und offener Handfläche auf die vielen Aussteller. "So viel Hilfe, so viele Helfer." Dann lächelt er und geht weiter.

Zanas Optimismus steht sinnbildlich für viele Besucher des Informationstags. Sie sind gewillt, ihr Leben zu verändern. Mit Hilfe des Jobcenters haben im vergangenen Jahr etwa 1770 Alleinerziehende in München eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommen. Und Monika Stephan vom Jobcenter ist überzeugt davon, dass sie die Zahl in diesem Jahr noch steigern werden.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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