München:Mehr Brutto, weniger Netto

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Zwischen dem Freistaat und der Deutschen Bahn ist vertraglich geregelt, wie viel Geld mit der S-Bahn zu verdienen ist. Die Oberbayern-CSU will die bisherige Aufteilung ändern - zum Wohle der Fahrgäste, sagt sie. Es geht um viele Millionen Euro

Von Marco Völklein

Die oberbayerische CSU will, dass der Freistaat der Deutschen Bahn (DB) künftig weniger Geld für den Betrieb der S-Bahn überweist und so Mittel für den Ausbau des Netzes frei werden. Erreichen wollen die Christsozialen dies über eine Umstellung des Vertragsprinzips. Bislang haben Freistaat und Bahn einen Vertrag nach dem sogenannten Nettoprinzip geschlossen: Bayern zahlt bisher einen Betrag X (die genaue Höhe ist geheim) an die Bahn. Zudem erhält der Konzern einen nicht geringen Anteil aus den Einnahmen des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), der sich unter anderem danach bemisst, wie viele Fahrgäste mit den S-Bahnen fahren. Künftig soll nach dem Willen der CSU das Bruttoprinzip gelten: Dabei erhält das Unternehmen, das die S-Bahn betreibt, zwar einen etwas höheren Fixbetrag vom Freistaat, im Gegenzug kassiert das Land aber die gesamten Fahrgeldeinnahmen.

"Wir wollen, dass das Geld in der Region bleibt und hier für Verbesserungen verwendet wird", sagt der Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle. Er beschäftigt sich zusammen mit anderen CSUlern aus der Region seit Jahren mit dem Thema. Und sie alle stört, dass die Bahn aus der Münchner S-Bahn Jahr für Jahr Gewinne in einem "mittleren zweistelligen Millionenbereich" nach Berlin überweist - und im Gegenzug angeblich kaum in das hiesige Netz investiert. Die DB weist das zurück: Erst im vergangenen Jahr wurde eine Vereinbarung mit dem Bund geschlossen, wonach Gewinne aus dem Netzbetrieb wieder zurückfließen in Unterhalt und Erneuerung der Schienenwege. Diese Gewinne ergeben sich zum Großteil daraus, dass die Länder Trassenpreise an die DB zahlen dafür, dass die Nahverkehrszüge die Gleise und Bahnhöfe nutzen.

Dennoch will die CSU mit einem neuen Vertragsprinzip dort ansetzen und der Bahn einige Millionen pro Jahr abzwacken. Bei den Verantwortlichen im Freistaat trifft der CSU-Bezirksverband damit teils auf Zustimmung. Das deutet Johann Niggl an, der Chef der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG). Seine Behörde organisiert und bezahlt im Auftrag des Verkehrsministeriums den Schienenverkehr in Bayern. Und sie schließt die Verträge ab. Niggl jedenfalls kann sich "durchaus vorstellen, dass künftig stärkere Bruttoelemente" in einen S-Bahn-Vertrag einfließen. Zugleich aber habe auch das Nettoprinzip seine Vorteile: Damit werde dem Unternehmen der Anreiz gegeben, mit einem möglichst guten Service, mit sauberen Zügen und einer hohen Pünktlichkeit möglichst viele Fahrgäste zu gewinnen. Bei einer Umstellung aufs Bruttoprinzip bestehe die Gefahr, dass sich der Betreiber "zurücklehnt und gar nichts mehr macht, um die Qualität zu verbessern". Am Ende, das lässt sich bei Niggl heraushören, könnte es auf einen Mix aus beiden Vertragsprinzipien hinauslaufen.

Der Zeitpunkt für den Vorstoß der Oberbayern-CSU ist günstig: Der Vertrag zwischen Freistaat und Deutscher Bahn läuft zum Ende des Jahres 2017 aus. Seit mehr als eineinhalb Jahren versuchen Niggls Leute einen Weg zu finden, den Anschlussvertrag auszuschreiben. Doch das ist gar nicht so einfach: Weil das Münchner S-Bahn-Netz so komplex ist, dürfte sich nach jetzigem Stand allenfalls die DB als künftiger Betreiber bewerben. Niggl und seine Mitarbeiter haben zuletzt Berater engagiert, um eine Ausschreibung irgendwie auf die Beine zu stellen. In den nächsten Monaten, sagt Niggl nun, werde man definitiv irgendetwas vorlegen. Die Frage ist nur: Was genau? Dies ist unter anderem davon abhängig, ob der zweite S-Bahn-Tunnel nun kommt oder nicht.

Die Zeit jedenfalls drängt. Bis Ende 2017 ist es - in der durchaus bräsigen Welt der Verkehrsunternehmen - nicht mehr lange hin. Beobachter rechnen daher damit, dass Niggl mit der DB zunächst eine Art Übergangsvertrag schließt, um sich Zeit zu erkaufen und den Betrieb für zwei oder drei Jahre am Laufen zu halten. Und um erst danach einen "großen" S-Bahn-Vertrag für die nächsten 15 oder 20 Jahre auszuschreiben.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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