Mord in München:Verbrechen aus Verzweiflung

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Er sah keine Alternative zu seiner Tat: Der Mann, der in Hadern seine Mutter umbrachte, ist spielsüchtig, hat hohe Schulden - und wollte verhindern, dass die 76-Jährige in die Armut abrutscht.

Von Florian Fuchs

Es ist eine tragische Tat mit einem bizarren Motiv: Ein 43-Jähriger hat am Freitag in seiner Wohnung in Großhadern seine Mutter getötet - um der 76-Jährigen Leid zu ersparen, wie er anschließend der Polizei versicherte. Der spielsüchtige Chemiker, der gut verdiente, zockte jahrelang in Online-Kasinos, am Ende hatte er einen sechsstelligen Schuldenstand angehäuft und war völlig verzweifelt. Weil er seiner finanziell von ihm abhängigen Mutter, wie er sagte, die Schmach nicht antun wollte, in die Armut abzurutschen, erwürgte und erdrosselte er sie. Danach stellte er sich der Polizei.

Der 43-Jährige, der in einer Kanzlei für Patentrecht arbeitete und dort Gutachten erstellte, wohnte seit Jahren zusammen mit seiner Mutter in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Nähe des Klinikums Großhadern. Er bezahlte nicht nur die teure Wohnung in einem noblen Mehrparteienhaus, er sorgte auch ansonsten für den Lebensunterhalt der 76-Jährigen. Am Freitag aber brachte er seine Mutter auf grausame Weise um. Gegen 14.30 Uhr erschien ihm die Gelegenheit günstig, die 76-Jährige hatte ihm gerade den Rücken zugedreht: Laut Polizei versuchte der 43-Jährige sie zunächst mit den Händen von hinten zu erwürgen und griff dann auch noch zu einem Gürtel, den er im Todeskampf fassen konnte. Schließlich stülpte er seiner Mutter eine Plastiktüte über den Kopf, um sie zu ersticken.

Kein Grund, am Motiv zu zweifeln

Wie der Leitende Kriminaldirektor Frank Hellwig am Sonntag sagte, war der Beschuldigte bereits seit Jahren spielsüchtig und bekennt sich auch selbst dazu. In seiner Freizeit, gab der Mann nun in Vernehmungen bei der Polizei an, zockte er bei zahlreichen Online-Kasinos um hohe Summen, vornehmlich spielte er Black Jack und Roulette. Noch ist unklar, wie hoch der Schuldenstand des 43-Jährigen genau ist. Der Chemiker hat vollkommen den Überblick verloren, er lieh sich Geld von Verwandten und Bekannten und nahm Kredite bei Banken in Anspruch, auch sein Arbeitgeber hatte ihm immer wieder ausgeholfen und Gehälter vorgestreckt.

Vor etwa sechs Monaten hatte er sich seinem Chef offenbart und ihm seine Spielsucht gestanden. Sein Chef gab ihm mehrmals Geld, um die Schulden bedienen zu können. Der Beschuldigte jedoch verzockte immer wieder hohe Summen. Vor zwei Wochen nun gestand der 43-Jährige seinem Arbeitgeber, dass ihm eine Steuerpfändung bevorstehe und er die Forderungen nicht bezahlen könne. Sein Chef versprach ihm die Vorauszahlung von zwei Monatsgehältern, die letzte Rate erhielt er am vergangenen Mittwoch. Das Geld nutzte er jedoch für einen letzten verzweifelten Versuch im Online-Kasino. Mit einem großen Gewinn, so hoffte er, würde er sich auf einen Schlag von all seinen Sorgen befreien können. Stattdessen verlor er wieder mehrere Tausend Euro.

Seiner Aussage bei der Polizei nach sah er in seiner Not nun nur noch zwei Optionen: Entweder sich selbst umzubringen oder seine Mutter zu töten. Da die 76-Jährige aber krank sei und ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle hat, so seine verzweifelte Logik, habe er ihr die Schmach mit den Schulden und einen möglichen Schreck über seinen Freitod aus Sorge um ihre Gesundheit nicht zumuten wollen. Er befürchtete, sie könnte dadurch zum Pflegefall werden. Wenn er sie töte, sagte er der Polizei über seine Überlegungen, füge er ihr am wenigsten Leid zu.

Arbeitgeber verständigte die Polizei

"Es gibt für uns keinen Anlass, an dem von ihm angegebenen Motiv zu zweifeln, dass er aus Sorge um seine Mutter gehandelt hat", sagte Kriminaldirektor Hellwig. "Ich bin mir sicher, er hätte auch sein eigenes Leben geopfert, wenn es seiner Überzeugung nach seiner Mutter genützt hätte." Als seine Mutter schließlich nicht mehr atmete, zog er ihr die Ringe von den Fingern, nahm sich ihre Schmuckschatulle, hob sein letztes Geld von der Bank ab und fuhr in die Arbeit. Dort gab er den Schmuck und das Geld seinem Chef, um ihm wenigstens einen Teil seiner Schulden zurückzuzahlen.

Der 43-Jährige beichtete seinem Arbeitgeber im Büro, dass er "etwas Schreckliches" getan und seine Mutter getötet habe. Er wolle nun wieder nach Hause fahren, sagte er, und die Polizei verständigen. Sein Chef reagierte schnell, bat ihn im Büro zu bleiben und verständigte gleich selbst die Ermittler. "Er hat am ganzen Körper gezittert, als die Polizisten im Büro eintrafen", sagte Hellwig. Die Beamten fuhren dann zu der Wohnung in Großhadern und entdeckten dort die Leiche der 76-Jährigen. Der 43-Jährige war bislang völlig unbescholten und hatte noch nie Probleme mit der Polizei gehabt. Er sitzt inzwischen in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft hatte einen Haftbefehl wegen Mordes beantragt.

© SZ vom 17.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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