Moosach:Feuer unterm Dach

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Weil ein zweiter Fluchtweg fehlt, will das Bildungsreferat den Kindergarten in der Borstei nach knapp 80 Jahren seines Bestehens schließen. Brandschutzdirektion und Eltern halten dies nicht für erforderlich

Von Anita Naujokat, Moosach

Das Referat für Bildung und Sport (RBS) will den städtischen Kindergarten in der Borstei angeblich aus Brandschutzgründen zum 1. September schließen. Die 44 Kinder sollen dann mit ihren Betreuern in den städtischen Kindergarten an die Dieselstraße 12 nahe des Olympia-Einkaufszentrums ziehen. Dieser hat nach Auskunft des Referats eine Betriebserlaubnis für 140 Kinder, belegt sind derzeit 95 Plätze. Für die Eltern kam die Ankündigung völlig überstürzt und überraschend: Sie hatten offiziell erst am 5. Juni, knapp zwei Monate vor Ende des Kindergartenjahres, davon erfahren. Dabei sei den Behörden seit 16 Jahren bekannt, dass in den Räumlichkeiten ein zweiter Fluchtweg fehle, sagt Susanne Schröder, Vorsitzende des Elternbeirats.

Bei der regelmäßigen Feuerbeschau der Branddirektion, so Susanne Schröder, sei der Mangel stets im Protokoll aufgenommen worden, allerdings ohne Fristsetzung. Warum dann diese plötzliche Entscheidung von heute auf morgen? Laut RBS-Sprecherin Katharina Rieger habe man schon länger nach einer Lösung gesucht. Der Borstei-Kindergarten bestehe aus drei Einrichtungen. Die Kinder sind in ehemaligen Wohnungen an der Löfftzstraße 6 und der Pickelstraße 13 untergebracht; die Räume an der Franz-Marc-Straße 9 werden für Spezielles, etwa die schulvorbereitende Förderung, genutzt. Die Standorte seien bis zu 450 Meter voneinander entfernt. Wegen ihrer Lage im Hochparterre seien sie nur über das Treppenhaus aus Holz und mehrere Stufen zugänglich. Dies sei auch der einzige Fluchtweg. Eine Außentreppe habe wegen des bestehenden Denkmalschutzes als Ensemble für die Borstei nicht realisiert werden können. Auch andere Möglichkeiten, die zusammen mit dem Baureferat überprüft worden seien, wie das Anbringen von Rauchmeldern mit einer Aufschaltung zur Brandmeldezentrale seien verworfen worden. "Deshalb hat die Branddirektion der weiteren Nutzung als Kindertagesstätte endgültig nicht mehr zugestimmt", heißt es in der schriftlichen Antwort des RBS. Diese Entscheidung sei der Stadt Anfang Mai mitgeteilt worden.

Blühend schön und denkmalgeschützt: Bernhard Borst erbaute Ende der 1920er Jahre die gleichnamige Siedlung in Moosach. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Branddirektion weist dies allerdings zurück. Man habe zu keiner Zeit eine Nutzung aus brandschutztechnischen Gründen untersagt, erklärt deren Pressesprecher, Brandamtsrat Klaus Heimlich. Die Branddirektion erfasse die baulichen und betrieblichen Brandschutzmängel und melde sie - in diesem Fall - an das Immobilienmanagement des RBS weiter. Die Mängelverfolgung obliege dann stadtintern direkt dem Referat für Bildung und Sport. Klaus Heimlich hält zudem fest, dass bei der letztmalig erfolgten Feuerbeschau "keine konkreten Gefahren erkannt wurden, die ein sofortiges Handeln im Sinne der Gefahrenbeseitigung des Brandschutzes erforderlich gemacht hätten". Und auf die Frage, ob die Brandschutzdirektion einen weiteren Betrieb für vertretbar hält, lautet die Antwort: "Aufgrund der festgestellten Mängel ist aus Sicht der Branddirektion eine Nutzungsuntersagung weiterhin nicht erforderlich."

Dies könnte die Vermutung der Eltern stützen, dass die Begründung der Stadt nur vorgeschoben ist und sie einen nicht ausgelasteten Kindergarten füllen möchte, egal, was das für Kinder, Eltern, Erzieherinnen und das Zusammenleben in der Borstei bedeute. Denn die Eltern sehen sich nicht nur mit einem höheren Aufwand beim Bringen und Holen der Kinder zur Dieselstraße - viele der Geschwisterkinder besuchten die in entgegengesetzter Richtung liegenden Grundschulen am Dom-Pedro-Platz und an der Gertrud-Bäumer-Straße - konfrontiert. Sie sehen auch das traditionell gewachsene Miteinander zwischen der Borstei und der Einrichtung zerstört. Im kommenden Jahr würde die Einrichtung seit 80 Jahren bestehen. Und für das neue Kindergartenjahr gibt es bereits elf neue Anmeldungen. "Man muss doch planen können", sagt Susanne Schröder.

Bange Zukunft: Familien sind besorgt über die kurzfristig angekündigte Schließung des Kindergartens in der Borstei. (Foto: privat/oh)

Die Eltern fordern einen Aufschub von mindestens einem Jahr, in dem sich alle Beteiligten zusammensetzen, um eine andere Lösung des Problems zu finden. Unterstützung erhalten sie vom Bezirksausschuss Moosach, der einhellig einem Eilantrag der CSU-Fraktion zum Erhalt des Borstei-Kindergartens zustimmte. "Denkmalschutz ist wichtig, Brandschutz ist noch wichtiger, am wichtigsten aber sind die Kinder", sagte Ausschuss-Vize Alexander Dietrich (CSU), der in der Borstei aufgewachsen und dort selbst in den Kindergarten gegangen ist. In einem Brandbrief haben sich die Eltern auch an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gewandt. Die SPD-Stadträtin Julia Schönfeld-Knor hat für Dienstag Vertreter von Brand- und Denkmalschutz, RBS, BA, der Borstei GmbH und den Elternbeirat zu einem Gespräch eingeladen.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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