Milbertshofen/Am Hart:Hoch hinaus im Norden

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Investoren wollen auf den spärlich bebauten Industrieareale des Knorr-Bremse-Konzerns ein modernes Büro- und Wohnquartier entwickeln. Die Urteile über die Architektur reichen von "Herzeige-Objekt" bis "Klotz"

Von Alfred Dürrund Nicole Graner, Milbertshofen/Am Hart

Es ist erst wenige Jahre her, da waren die Flächen entlang der Moosacher Straße und am nördlichen Ende des Olympiaparks noch spärlich bebaute Industrieareale des Knorr-Bremse-Konzerns. Dieses Unternehmen ist der weltweit führende Hersteller von Bremssystemen für Schienen- und Nutzfahrzeuge. Ein Teil des Stammgeländes wird umstrukturiert und soll sich zum modernen Büro- und Wohnquartier entwickeln. Der neu entstehende Block mit einem 66 Meter hohen Wohnturm könnte zum Wahrzeichen dieses Gebiets werden. Das Projekt erfährt allerdings gerade auch massive Kritik. Aber in der Stadtgestaltungskommission stieß es jetzt auf große Zustimmung bei den Architekturexperten.

Der Neubau-Komplex an der Moosacher Straße 82 mit dem Hochhaus besteht aus fünf Bauteilen mit einer gemeinsamen Tiefgarage. Vorgesehen sind ein Hotel, ein sogenanntes Boardinghouse, Büros und ein Studentenwohnheim mit Microappartements. Drei Münchner Büros sind für den Entwurf des Ensembles und die Gestaltung der Außenanlagen verantwortlich: Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht und Steidle Architekten sowie für die Freiflächen Mahl Gebhard Konzepte. Bereits vor sieben Jahren hatte es spektakuläre Pläne gegeben. Das Architektenbüro Bothe Richter Teherani aus Hamburg bekam den Planungsauftrag für ein frei stehendes Hochhaus aus Stahl und Glas mit 70 Metern und 19 Stockwerken. Verwirklicht wurde dieses Projekt der IVG Immobilien AG und einer Projektgesellschaft der Knorr-Bremse- Gruppe zu Beginn der Finanzkrise jedoch nicht. Das Gelände ist mittlerweile durch einen anderen Bauherrn - der MO 82 Immobilien und Projektentwicklung GmbH - komplett neu geplant worden.

Das damals vorgesehene "Glashaus" sei zum Glück weg, hieß es jetzt in der Stadtgestaltungskommission. Die Fachleute, die den Stadtrat in strittigen Architekturfragen beraten, waren voll des Lobes für das aktuelle Projekt. Hier werde ein beachtliches neues Quartier gebildet, sagte zum Beispiel Stadtheimatpfleger Gert Goergens: "Wir gewinnen ein Stück bewohnbare Stadt und nicht nur ein Herzeige-Objekt wie das früher geplante Hochhaus." Der Komplex sei eine Aufwertung für den Münchner Norden. Er strahle eine gewisse Ruhe aus, und das verleihe dem Ensemble eine besondere Qualität. CSU-Stadtrat Marian Offman war der Einzige, der deutlich Kritik äußerte. Er zeigte sich enttäuscht über die architektonische Gestaltung - sie stimme überhaupt nicht und sollte auch so nicht realisiert werden. Am Ende votierte die Kommission einhellig für das Bauvorhaben. Nur Offman und Stadtrat Herbert Danner (Grüne) waren dagegen.

Noch viel deutlicher polarisieren die Pläne im Viertel selbst. Die einen sehen in dem Gebäudeensemble einen modernen, urbanen Entwurf. Die anderen, und dazu gehören auch die meisten Mitglieder des Bezirksausschusses Milbertshofen-Am Hart, zeigen sich entsetzt über den geplanten "Klotz" im Münchner Norden. In Größe und Gestalt sei das als Boardinghouse vorgesehene Gebäude "vollkommen inakzeptabel", erklärt Wolfram Mattern (SPD), der selbst Architekt ist. Und Leo Meyer-Giesow (Freie Wähler/ÖDP) kann nicht verstehen, warum man Fassaden nicht abwechslungsreich gestalten könne. Alles sei gleich, vor allem die Anordnung der Fenster. Man könne, sagte Giesow, regelrecht von einer "Copy und Paste-Architektur" sprechen: "So etwas wollen wir hier nicht." Auch wenn Gleichförmigkeit mitunter ja ihren Reiz habe, erklärte Bianca Hegmann von den Grünen, wünsche man sich doch eine "bessere Ansicht".

Unabhängig von solchen Debatten über Architektur entwickelt sich das ehemalige Industrieareal zum "Olympia Business Park" stetig weiter. Seit einigen Jahren steht das Vier-Sterne-Hotel Leonardo an der Moosacher Straße. Zwischen diesem Bau und dem künftigen Ensemble mit dem Hochhaus ist der Rohbau für das Bürogebäude namens "H2O" seit September fertig. Nach Auskunft des Investors Wöhr und Bauer ist die Nachfrage nach Büros rege. Der Standort sei attraktiv, die Lage in unmittelbarer Nähe des Olympiaparks sei gut. Über den Mittleren Ring hat man eine Verbindung zu den Autobahnen. Direkt vor dem Gebäude befindet sich die U-Bahn-Station Oberwiesenfeld.

Vor einiger Zeit hätte kaum jemand geglaubt, dass diese früher öde Landschaft einmal eine interessante Wohngegend werden könnte. Genau diese Entwicklung soll jetzt mit dem Projekt der Bayerischen Hausbau, das nördlich von den neuen Bauten an der Moosacher Straße entsteht, einsetzen. Es heißt "Am Oberwiesenfeld". Die blockförmige Struktur mit dem begrünten Innenhof wurde von drei verschiedenen Architektenbüros gestaltet. Außerdem wird es viel Grün auch im Umfeld geben. Man will so eine Verbindung zum Naherholungsgebiet Lerchenauer See schaffen. Die Wohnungen sind durch die Bürogebäude vom Verkehrslärm der Moosacher Straße abgeschirmt. Im Zusammenspiel all dieser Faktoren soll aus einstiger Industrie-Tristesse ein schönes Zuhause werden.

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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