Milbertshofen:Bürgerprotest und Bewegungsdrang

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Mehr als 1000 Unterschriften haben Luise Valier und ihre Mitstreiter für den Erhalt des Bolzplatzes gesammelt. (Foto: Florian Peljak)

Vehement und in großer Zahl setzen sich Anwohner für den Erhalt des Bolzplatzes an der Schmalkaldener Straße ein

Von Nicole Graner, Milbertshofen

Sie macht es auf ihre Art. Leise, aber sehr bestimmt. Und mit jenem bayerischen Klang in der Stimme, der irgendwie klar macht, man ist eine von hier. Sie fügt ruhig, aber präzise Persönliches an die richtige Stelle, wendet ihren Blick zum Gegenüber - in diesem Fall zur Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) - und lächelt. Fast ein wenig spitzbübisch. Die Parteigenossin Antonie Thomsen, zugleich ehemalige, langjährige Bezirksausschuss-Vorsitzende für den Stadtbezirk Milbertshofen-Am Hart, spricht an diesem Abend in der Aula der Hildegard-von-Bingen-Grundschule aus, was viele denken, auf eine Art, die ihr schon oft in ihrer Amtszeit lokalpolitische Erfolge beschert hat. Sie nutzt die Stunde der Bürgerversammlung für Milbertshofen-Am Hart und damit wohl auch die letzte Chance, einen Antrag zu stellen, dem im Viertel große Bedeutung zugemessen wird: für den uneingeschränkten Erhalt des Bolzplatzes an der Schmalkaldener Straße.

Auch wenn dieser Abend nun schon eine Weile her ist: In den Wochen davor kämpfen die Anwohner genauso wie in den Wochen danach um ihren Bolzplatz, der im Viertel sehr beliebt ist und von Jung und Alt viel genutzt wird. Denn die Stadt München hat im März des Jahres beschlossen, das Projekt "Wohnen für Alle" voranzutreiben, also Wohnungsbau für einkommensschwache Bürger. Unter zehn Grundstücken hat sich die Stadt auch den Platz an der Schmalkaldener Straße ausgesucht. Genau dort, wo der Bolzplatz seit vielen Jahren für gute Stimmung im Viertel sorgt. Die GWG soll 60 Wohneinheiten bauen "Das ist", wie Christine Strobl am Bürgerversammlungsabend einmal mehr erklärt, "so nun mal beschlossen". Allerdings sei noch nicht genehmigt, wie der Baukörper situiert und der Bolzplatz eingegliedert werden soll.

Vorschläge dazu hat der Bezirksausschuss (BA) bereits vor und zurück diskutiert. Eine Idee sieht zum Beispiel vor, den Bolzplatz weiter nach Osten zu rücken - zwischen den bestehenden und den dann neu zu bauenden Wohngebäuden. Und viel kleiner. Doch dieser Vorschlag kommt nicht an. "Hingepresst" sei der Bolzplatz dann, sagte CSU-Fraktionssprecher Erich Tomsche in der jüngsten BA-Sitzung. Und garantiert sei dann auch Ärger mit den Menschen, die dort wohnen, programmiert. Im Bürgergremium ist man sich einig: Der Platz muss erhalten bleiben - ohne Wenn und Aber.

Auch Luise Valier will nicht aufgeben. Zusammen mit ihren Mitstreitern hat sie 1061 Unterschriften gesammelt, davon 221 online. Die Unterschriften sind an den örtlichen Bezirksausschuss weitergegeben worden. Auch wenn Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) als Reaktion auf die vehementen Bürgerproteste in einem Schreiben den Standort für die Bebauung am Frankfurter Ring in "besonderer Weise" für geeignet hält, wollen die Anwohner nicht aufgeben. "Auf diesem Platz", sagt Valier, "begegnen sich so viele Kulturen friedlich". Hier werde gekickt, Federball gespielt, Angestellte von BMW übten für ihr Fußballturnier, und noch nie habe es Beschwerden über Lärmbelästigung gegeben. Besonders ärgert Valier, die seit 32 Jahren am Milbertshofener Bolzplatz wohnt, das dauernde Gerede davon, dass die Jugendlichen mehr Bewegung brauchten. Hier bewege man sich. "Und genau diese Möglichkeit soll den jungen Menschen nun weggenommen werden?" Am meisten befürchtet sie bei einer abgespeckten Version eine Art "Käfighaltung". Denn damit die Bälle nicht auf den Frankfurter Ring fliegen, müsste der neue Platz mit sogenannten Ballsicherungseinrichtungen versehen werden. "Das gibt es schon in anderen Stadtteilen. Da spielen die Kinder dann hinter Gittern. Will man das?"

Auch Antonie Thomsen kämpft weiter. Zwar hat sie sich mit einem Brief an Oberbürgermeister Reiter bereits wortgewaltig eingemischt - und den OB nicht zuletzt damit zu seiner deutlichen Reaktion provoziert. Aber in der Bürgerversammlung muss es noch einmal sein. "Auch dann", wie sie sagt, "wenn das Ganze wohl schon gegessen ist". Sie macht deutlich, dass man in Milbertshofen nicht gegen Wohnbebauung sei. Aber nun erlebe sie die dritte Schließung eines freien Bolzplatzes im Stadtviertel. Vor kurzem sei sie dort spazieren gegangen. 47 Kinder aller Ethnien hätten dort gespielt. Das sei, sagt Thomsen, ein Werbebild für die Landeshauptstadt gewesen. Dass diese Integration einfach auf diesem für das Viertel so "kostbaren" Platz möglich sei - ohne großes "bri, bra, brüllala"- das sollte anerkannt und gewürdigt werden. Und dann sagt sie jenen Satz, der in seiner stillen Kraft Ausdruck gewinnt: "Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, ich hoffe sehr, dass die Stadt München ein Einsehen hat, uns diese Chance zu lassen." Dabei lächelt sie Christine Strobl noch einmal an. Und geht. Leise.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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