Flüchtlinge:Ärgerliches Schweigen

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Nachbarn der für September 2015 geplanten Flüchtlingsunterkunft an der Thalhoferstraße beklagen die mangelnde Informationspolitik der Stadt. Das Amt für Wohnen und Migration verteidigt sich mit "enormem Zeitdruck"

Von Nicole Graner, Milbertshofen

Holger Freese ist verärgert. Und er ist maßlos enttäuscht. Darüber, dass die Stadt München es nicht für nötig befunden hat, ihn zu informieren. 20 Meter von seinem Grundstück an der Thalhoferstraße entfernt, wird voraussichtlich bis September 2015 eine neue Unterkunft für Menschen entstehen, die auf der Flucht sind. Dieser zweite Containerbau am Harthof würde damit eher fertig sein als die geplante und der Öffentlichkeit bereits vorgestellte Unterkunft an der Schleißheimer Straße 438.

Entstehen werden drei dreigeschossige Riegel mit Verbindungsgang, 200 Menschen sollen dort leben. Der Zugang soll von der Thalhoferstraße aus erfolgen. "Ich weiß, dass die Unterkunft kommen wird, und ich weiß auch, dass Raum für Menschen in Not geschaffen werden muss. Aber dass man den direkt betroffenen Anwohnern nichts sagt, geht mir an die Nieren", sagt Freese und betont ausdrücklich, dass sein Ärger überhaupt nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun habe. Das sei einfach eine "unfaire Planungsaktion".

Natürlich habe sein Haus nun einen deutlichen Wertverlust, aber: Viel mehr macht sich Freese Sorgen darüber, wie so viele Menschen auf so einem kleinen Grundstück "eingeengt" leben sollen, wie sie um- und versorgt werden. Zwei Dinge müsse man auch noch bedenken: die Fragen der Kanalisation und des Zuganges. Es liege ein sehr altes Rohr in der Thalhoferstraße, das kaum ausreiche, um sein Haus und das Haus des Nachbarn zu versorgen; da müsse man richtig Geld in die Hand nehmen. Zum anderen sei der Zugang zur Unterkunft von der Thalhoferstraße aus "extrem ungeeignet". Die Straße sei zu eng, schon jetzt ständig zugeparkt.

Wie Holger Freese sehen es auch andere Anwohner, die ihrem Ärger über die Planung, aber auch über die schlechte Information seitens der Stadt in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Milbertshofen-Am Hart sehr deutlich Luft machten. Milbertshofen und Freimann seien mit einer Auslastung von 37,6 Prozent sehr belastet, betont eine Bürgerin. "Komplett irre" sei es, so viele Menschen auf so einem kleinen Grundstück "einzupferchen" schimpft eine andere, "bauen Sie einstöckig. Das ist unmenschlich". Immer wieder taucht auch die Sorge um eine gute, sozialpädagogische Betreuung der Flüchtlinge auf. Die Containeranlage an der Thalhoferstraße könne nur dann funktionieren, wenn das gewährleistet sei.

Schleißheimer Straße 438, Thalhofer-straße, Olympiastadion, in der Nähe noch die Erstaufnahmeeinrichtung an der Lotte-Branz-Straße und die Bayernkaserne - "immer noch etwas würde den Menschen im Norden aufs Auge gedrückt". Und: Es könnte in Milbertshofen noch etwas Neues hinzukommen, wenn das Projekt möglich zu machen ist. An der Norderneyer Straße 10 soll, wie erst kürzlich bekannt wurde, das Gebäude vom neuen Grundstückseigentümer abgerissen und durch einen zwölf Meter hohen Neubau ersetzt werden. Das von einem Privatinvestor betriebene Gebäude würde dann eine Familienunterkunft für 140 bis 170 wohnungslose Menschen werden. 2016 soll es fertig sein und eine Nutzungsdauer von zehn Jahren haben. "Fast wöchentlich werden wir mit neuen Standorten konfrontiert, ohne dass die Anwohner mit einbezogen werden", ärgert sich auch Thomas Schwed (CSU). Monika Maier und Martin Kunschak vom Amt für Wohnen und Migration erklären die Flüchtlingssituation in München, versuchen Antworten auf die vielen Fragen zu finden. Von "humanitärer Pflicht" ist die Rede, von den Schwierigkeiten, überhaupt passende Orte zu finden. "Wir müssen die Quote erfüllen, die uns von der Regierung auferlegt worden ist", sagt Martin Kunschak. Auch seien, wie Maier erklärt, die Planungen und die Suche noch lange nicht abgeschlossen. Bis 2017 werde man versuchen, die Verteilung im Stadtgebiet so gleichwertig wie möglich vorzunehmen. "Aber eine hundertprozentige Gleichverteilung werde es nicht geben." Auch sei es, wie Kunschak verdeutlicht, unter diesem Zeitdruck kaum möglich, "bei jeder Einrichtung die Bürger einzubeziehen". Das hieße also, fragt eine Bürgerin, dass generell kein "Mitspracherecht" geplant sei. "Ja", sagt Kunschak, "das ist nicht vorgesehen. Wir gestalten nicht die Stadt München, sondern haben ein externes Problem bestmöglich umzusetzen." Explizit für die Thalhoferstraße sollen von der Regierung von Oberbayern ein Hausleiter und Hausverwalter eingesetzt werden, Sozialpädagogen und Betreuer für Kinder da sein. Auch würden Räume für die ehrenamtliche Arbeit zur Verfügung gestellt. Zudem soll ein Wachdienst eingesetzt werden, der für die Sicherheit der Bewohner in der Unterkunft und die der Anwohner sorgt. "24 Stunden ist dann jemand zu Stelle, der das Hausrecht umsetzen kann", sagt Maier, "wir wollen , dass das nachbarschaftliche Miteinander von Anfang an ein gutes wird".

Zwei positive Dinge zum Schluss: Das Amt wird den Vorschlag der Anwohner weiterleiten, den Zugang zur Unterkunft über die Rathenaustraße zu ermöglichen. Und am 8. Juni können die Bürger bei einer Informationsveranstaltung zu den Unterkünften an der Schleißheimer und der Thalhoferstraße noch einmal ihre Sorgen äußern. "Das ändert für mich nichts", sagt Nachbar Freese, "ein Gespräch mit uns direkten Anwohnern hätte von Anfang an stattfinden müssen".

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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