Messestadt Riem:Kleine Welt, große Kritik

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Klare Ansichten: Mit einem Tor aus beschrifteten Containern würde Michael Lapper den Willy-Brandt-Platz attraktiver und politischer machen. Simulation: Michael Lapper (Foto: N/A)

Der Künstler Michael Lapper hat sich intensiv mit dem Willy-Brandt-Platz beschäftigt, der in der Messestadt Riem selbst und darüber hinaus für viele Diskussionen sorgt

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Auf den ersten Blick gar nicht so unrealistisch: Container bilden auf dem Willy-Brandt-Platz den Portikus, der immer noch fehlt. Doch wer die von Messestadt-Künstler Michael Lapper geschaffene Simulation genauer betrachtet, merkt, dass keine bekannten Firmennamen auf den Behältern prangen, sondern Begriffspaare, die zum Nachdenken anregen sollen: Globallocal, UniCredibility, WarTrade oder fairunfair.

Michael Lapper hat sich intensiv beschäftigt mit dem Platz, der im Viertel und darüber hinaus so viel Kritik hervorruft - wegen seiner unwirtlichen Größe, seiner von Plastikmöbeln nur dürftig kaschierten Ödnis, seiner den mangelnden Profitaussichten geschuldeten jahrelangen Unfertigkeit und wegen der Kinderarbeit, aus der seine indischen Pflastersteine hervorgegangen sind. Lapper hatte dem Platz sogar ein eigenes partizipatives Kunstprojekt namens "wir hier/here we are" gewidmet, dessen Erfahrungen er auch in einer Broschüre zusammengefasst hat.

Je tiefer er gebohrt hat, um so spannender fand er die Zusammenhänge. Und schnell war ihm klar, dass dieser Platz als Symbol für die Mechanismen und die negativen Auswirkungen der globalisierten und kapitalistischen Welt dienen kann, in der alles mit allem zusammenhängt. Nun sei er überzeugt, dass letztlich nicht das Planungsreferat bestimme, wie München aussieht, sagt er: "Wer zahlt, schafft an. So läuft das." Auf der jüngsten Immobilienmesse Expo Real habe er versucht, mit Investoren über den Platz zu diskutieren: "Was ist an diesem Platz wertvoll?" Lapper lacht ein bitteres Lachen: "Die wussten gar nicht, was ich meine." Lapper liest die Wirtschaftsnachrichten, verschlingt alles über die Union Investment, den Investor, der die Riem Arcaden baute, und die Fonds, die er anbietet "mit dem Geld der Sparer aus den kleinen Reiffeisenbanken". Das Einkaufscenter Riem-Arcaden wird betrieben von der Unibail-Rodamco Germany, die Lapper ein "großkapitalisiertes Kettenangebot" nennt. Ausgerechnet in der ökologischen Messestadt habe man die Radlparkplätze der Arcaden dezimiert. Grund für Kritik allenthalben. Zum Beispiel die Kino-Pläne: Für ein Multiplex war kein Bedarf, also kommt jetzt gar kein Kino. Für Lapper ist solches Denken der falsche Ansatz.

Michael Lapper sagt von sich, er wolle nicht nur ein Messestadt-Künstler sein. Gleichwohl liegt ihm sein "Klötzchen-Stadtteil" am Herzen, weswegen er schon seit langem Plakate macht, die Messestadt-Befindlichkeiten zum Inhalt haben. Eigentlich sollte es jeden Monat ein neues sein, das hat nicht ganz hingehauen, doch rund zwei Dutzend hat er inzwischen entworfen. Manche wie das von den Müllgeistern weisen auf Aktionen von ihm hin, andere auf Veranstaltungen, die er mitinitiiert hat oder auf das Kunstwerk in der Sophienkirche, das auch von ihm stammt. Fazit: Lapper ist nicht nur, aber auch im besten Sinne ein Messestadt-Künstler.

Kein Wunder also, dass er seine Plakate nun auch in der Messestadt ausstellt. "Floor" nennt er den kleinen Ausstellungsort an der Selma-Lagerlöf-Straße 40. Zu sehen ist Lappers Plakatsammlung dort vom 3. Januar bis zum 8. Februar. Wie man hineinkommt? "Klingeln", rät Lapper. Wer ihn nicht antrifft, macht einen Termin aus per E-Mail an buero-riem@t-online.de oder ruft unter 0172/927 30 71 an.

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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