Messe:Schön wohnen auf wenig Platz

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Die Messe Heim und Handwerk hat in diesem Jahr einen Schwerpunkt, der gut zu München passt. Viele der vorgestellten Ideen sind charmant - aber für die meisten Menschen unerreichbar

Von Christina Hertel, München

"Praktisch" ist so ein Wort, mit dem kaum jemand etwas Schönes verbindet. Hosen, bei denen man das Bein abzippen kann, sind praktisch. Oder Regenjacken und Tupperdosen. Doch offensichtlich soll auch der Wohnraum der Zukunft praktisch sein - das zeigt sich, wenn man über die Messe Heim und Handwerk schlendert, die an diesem Mittwoch eröffnet hat und bis Sonntag dauert. Es gibt Hocker aus Zeitschriftenstapeln. Sessel, die man zum Bett ausklappen kann. Und Wandhalterungen für Ski, Snowboard und Rennrad, die das Sportgerät zur Deko werden lassen. Praktisch nennt das alles auf der Messe freilich niemand - solche Möbel sind multifunktional und effizient.

Idee auf der Heim und Handwerk: Mit einem 3D-Drucker werden Abbilder von Personen erstellt. Die Publikumsmesse läuft noch bis Sonntag. (Foto: Claus Schunk)

Die Heim und Handwerk ist Deutschlands größte Publikumsmesse: 1000 Aussteller zeigen zum 40. Mal auf 66 000 Quadratmetern Wohnideen. Ein Schwerpunkt ist diesmal: Einrichten auf kleinem Raum, möglichst platzsparend, aber chic. Ein großes Thema - vor allem in München, wo die Mieten teuer sind und viele Menschen lieber auf ein Zimmer verzichten, anstatt hunderte Euro mehr zu bezahlen. "Gerade Menschen in der Stadt müssen lernen, sich zu beschränken", sagt Verena Fritsch, Dozentin für Innenarchitektur an der Hochschule Coburg. Mit ihren Studenten hat sie auf der Messe eine Ein-Zimmer-Wohnung gestaltet, platzsparend versteht sich: Zwei Betten sind aufeinander gestapelt. Der Kühlschrank hat Rollen und sieht aus wie eine Mischung aus Aktenschrank und dem Wägelchen, das Stewardessen durchs Flugzeug schieben. Der Tisch lässt sich ausziehen wie ein Akkordeon - und wächst so um einen halben Meter, ohne dass man Geschirr abräumen müsste.

Aus einem Hocker wird ein hochwertiges Bett. (Foto: Claus Schunk)

Doch nur um das Funktionale, sagt Dozentin Fritsch, gehe es den Leuten nicht. Denn tatsächlich haben die Menschen in Bayern heute im Schnitt sogar etwa zehn Quadratmeter mehr Platz als vor 20 Jahren. Der Grund: Immer mehr Menschen leben alleine. Gleichzeitig würden sie immer mehr Wert auf ihre Einrichtung legen, sagt Fritsch. Deshalb sieht man auf der Heim und Handwerk nicht nur viele praktische Möbel, sondern Stücke, die der Besitzer individuell gestalten muss: Zum Beispiel ein Regal der Firma "Formbar". Mit der Maus kann man sich vor dem Kauf die Form des Regals am Computer zurechtziehen. Am Ende ist es nicht einfach nur rechteckig, sondern geschwungen und wellenförmig. "Die Identität der Menschen", sagt Fritsch, "spiegelt sich in der Einrichtung wider."

Ski lassen sich mit einer Halterung als Dekoartikel an die Wand hängen. (Foto: Claus Schunk)

Das war auch Christian Pausigers Gedanke. Er ist Ingenieur und begeisterter Sportler. Vor ein paar Jahren dachte er sich, seine Ski seien eigentlich viel zu schade, um sie in den Keller zu stellen. Er baute sich eine Halterung aus Holz, in die sich die Ski einklippen und dann an die Wand hängen lassen. Seine Freunde sahen das, wollten es auch haben. Inzwischen verkauft Pausinger von Feldkirchen-Westerham aus ein paar hundert dieser Clipboarts, wie er seine Erfindung nennt, im Jahr. Und inzwischen gibt es die Halterungen auch für Snowboards, Surfbretter und Basketbälle. "So können Sportler ihre Leidenschaft zeigen", sagt Pausinger.

Günstig ist die Halterung nicht, sie kostet zwischen 29 und 129 Euro. Überhaupt gibt es auf der Messe zwar viel Platzsparendes, aber ein Student könnte sich ein Ein-Zimmer-Appartment so wohl nicht einrichten. Der ausziehbare Tisch kostet 2500 Euro aufwärts. Ein Sessel, der sich zum Bett umfunktionieren lässt, ist ab 1800 Euro zu haben. "Dafür hat man etwas Gescheites", sagt die Verkäuferin Wilhelmine Liebert, die das Möbelstück für die Firma "Swiss Living" vertreibt. Immerhin hat das Sesselbett auch eine Schaumkern-Matratze und einen Lattenrost. Und tatsächlich ist den Deutschen ihre Einrichtung viel wert. Für etwa 580 Euro kaufen sie im Jahr Möbel und Dekoartikel. Mehr geben bloß die Schweizer und Österreicher aus. "Wir merken", sagt Liebert, "dass die Leute für schöne Möbel gerne sparen."

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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