Meine Woche:Üben wie ein Uhrwerk

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Hyeonjun Jo übt den ganzen Tag Klavier. Gegen 23 Uhr fällt er ins Bett. (Foto: BFMI)

Hyeonjun Jo, Preisträger des Richard-Strauss-Wettbwerbs, spielt Beethovens Hammerklavier-Sonate

Von Daniel Sippel

Jun arbeitet wie ein Uhrwerk. Nach dem Aufstehen stürzt er einen Cappuccino herunter, setzt sich dann ans Klavier und übt. Nach einer Mittagspause übt er weiter. Er übt den ganzen Tag. Gegen 23 Uhr fällt er ins Bett. Am nächsten Tag: Aufstehen, Cappuccino, üben. Jun hat sich geschworen: "Ich werde nur üben bis zum Konzert."

Hunderte Pianisten träumten davon, in diesem Konzert zu spielen. Nicht, weil der kleine Konzertsaal der Hochschule für Musik und Theater an der Arcisstraße außergewöhnlich pompös wäre. Nein, das Konzert am Donnerstag, 6. Oktober, 19 Uhr, ehrt den Pianisten qua Titel: "Preisträgerkonzert des Richard-Strauss-Wettbewerbs" steht in den Programmheften. Nur einer hat es geschafft, dort zu spielen: Jun. Im April hat er den Wettbewerb samt 2500 Euro Preisgeld gewonnen. Nach zwei Runden war die Jury überzeugt: Jun ist der Beste.

Eigentlich heißt er Hyeonjun Jo. Aber alle nennen ihn Jun. Er stammt aus Korea. Seine schwarzen Haare trägt er kurz - pflegeleicht. Schon seit acht Jahren studiert der 22-jährige Jun in Salzburg. Wenn er spricht, klingt es österreichisch.

Im Konzert am Mittwoch spielt Jun die Hammerklavier-Sonate von Beethoven. "Die ist sehr schwierig", räumt er ein und untertreibt dabei: Zu Beethovens Lebzeiten galt die Sonate als unspielbar. Andere Musiker trauen sich nicht an diese Sonate heran. Auch Jun verzweifelt: Ein paar Wochen vor dem Konzert schreibt er eine E-Mail an die Organisatoren. Bittet darum, die Sonate aus dem Programm zu streichen. Er schaffe es nicht. Dabei geht es längst nicht mehr darum, die richtigen Töne zu treffen. Er muss die Seele des Stücks verstehen. Das traut er sich nicht zu. Zwei Stunden vergehen. Dann reißt sich Jun zusammen. Wieder schreibt er eine E-Mail, wieder an die Organisatoren: "Ich ziehe es doch durch." Heute gibt er zu: "Ich wollte fast schon aufgeben." Es ist dieses "fast", das ihn von anderen Musikern unterscheidet. Denn Jun gibt nicht auf. Er sagt: "Das muss ich jetzt einfach machen."

Am Mittwoch wird Jun mit ein paar Freunden von Salzburg nach München fahren. Er wird mit ihnen in die Arcisstraße eilen und noch ein wenig proben. Er braucht seine Freunde, denn er kennt die Akustik des Saals noch nicht. Sie verbessern ihn dann: Weniger Pedal, mehr forte, mehr Klarheit! Das Konzert ist wichtig. Vielleicht sitzen Mäzene im Publikum, Kritiker, oder Künstler-Agenten. Großer Druck lastet auf Jun, dem jungen Pianisten. Feiert er nach dem Konzert in München? "Ich kann nicht auf ein Bier gehen. Ich muss weitermachen."

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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