Maxvorstadt:Richtungswechsel

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Während man sich im Rathaus nicht einigen kann, fordern Anwohner und Bezirksausschuss jetzt mit Nachdruck die Aufhebung der Einbahnregelung in Abschnitten der Gabelsberger-, Theresien- und Türkenstraße

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Würde man rund um das Museumsquartier nach dem Unwort der vergangenen drei Jahrzehnte fragen, die "Modifizierte Alternative 5" hätte gute Chancen auf den ersten Platz. Diesen Behörden-Begriff kennen viele, bezeichnet er doch ein in der Maxvorstadt seit geraumer Zeit heiß ersehntes, aber bisher nicht umgesetztes Verkehrsprojekt: die Aufhebung der Einbahnregelung in Abschnitten der Gabelsberger-, Theresien- und Türkenstraße - und die Einführung des Zweirichtungsverkehrs. Jetzt fordern Stadtviertelpolitiker und Bürger nachdrücklich vom Stadtrat, den Richtungswechsel auf den Straßen auf den Weg zu bringen.

Autos sollen künftig beidseitig um die Museen herumfahren können. Einbahnstraßen werden aufgehoben. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Anwohner fühlen sich schier eingeschlossen von Verkehrsadern, auf denen man mitten in der Stadt rücksichtlos rasen könne. Einige sammeln seit kurzem Unterschriften und fordern die Stadtpolitik damit zum Handeln auf. Zudem hat der Bezirksausschuss am Dienstag mit einem überparteilichen Antrag einen dringenden Appell verabschiedet. Die Überschrift: "Münchner Stadtrat soll die modifizierte Alternative 5 endlich beschließen!".

Die weltberühmten Sammlungen im Kunstareal sind von mehrspurigen Straßen umschlossen: den Ost-West-Tangenten Gabelsberger- und Theresienstraße, sowie einem kurzen Abschnitt in der Türkenstraße. Sie sind ein Erbe der "Autogerechten Stadt", wie ein Planungsgrundsatz der Sechzigerjahre lautete, als der ungehinderten Verkehrsfluss noch das Maß der Dinge war. Doch 1980 präsentierte das Planungsreferat acht Alternativen, die Autos an dieser Innenstadt-Nahtstelle in neue Bahnen zu lenken. Das Rennen im Stadtrat machte die "Alternative 5" - und dann passierte nichts. Auch als zehn Jahre später die Entwurfsplanung fertig war, blieb das Projekt in der Schublade. Erst in jüngster Zeit wurde es wieder herausgekramt. Denn eine Machbarkeitsstudie zur Sanierung des Altstadttunnels nahm auch das weitere Umfeld in den Focus. Das Ergebnis: Das Planungsreferat empfiehlt klar die Einführung des Zweirichtungsverkehrs in der Theresienstraße zwischen Türken- und Luisenstraße sowie in der Gabelsbergerstraße zwischen Türken- und Arcisstraße. Die "prägende Dominanz des Kfz-Verkehrs" im Stadtteil werde dadurch um 15 Prozent reduziert, zudem eine "grundsätzlichen Verbesserung der Aufenthaltsqualität" erreicht. Teile der CSU im Stadtrat sind davon nicht überzeugt, vor allem auch weil 90 Parkplätze wegfallen. An diesem Donnerstag will die rot-schwarze Koalition über einen Kompromiss verhandeln.

Sie wollen etwas bewegen im Kunstareal: die Anwohner Helge Siemens, Dirk Härle und Mirjam Siegfried mit CSU-Stadtviertelpolitiker Valentin Auer (v. l.). (Foto: Stephan Rumpf)

Unterdessen fordern ganze Hausgemeinschaften in der Maxvorstadt die Stadtpolitik zum zügigen Handeln auf. In den vergangenen Tagen haben Anwohner insgesamt gut 80 Unterschriften gesammelt. "Ich habe ständig Angst um meine Kinder", sagt Mirjam Siegfried. Im Haus der 38-jährigen Mutter zweier Söhne an der Theresienstraße haben alle zehn Parteien sofort ihren Appell für die Einführung der "Alternative 5" unterzeichnet. "Die haben sofort gesagt, her damit, ich unterschreibe", sagt die Redakteurin. Vor allem die Kreuzung an der Ecke Theresien- und Türkenstraße hielten viele für sehr gefährlich, da viele Autofahrer schnell und unvermittelt abbiegen: "Wir leben an einer Rennautobahn mitten in der Stadt." Dirk Härle, 43, hat 47 Unterschriften gesammelt und berichtet von aufgebrachten Reaktionen der Nachbarn. "Denen reicht's, die sagen alle: Es muss doch endlich etwas passieren", so der Architekt, der ebenfalls an der Theresienstraße wohnt. Er lässt keinen Zweifel an seinem Unverständnis für das ewige Aufschieben des Verkehrsprojekts: "Das ist nicht im Sinne der Menschen hier."

Davon ist der Bezirksausschuss schon seit mehreren Amtsperioden überzeugt - auch das derzeitige Gremium. Dieses verabschiedete jetzt einen Mahnruf an die Rathauskoalitionäre, die Entscheidung "nicht noch länger zu verzögern", wie es in dem Papier heißt. Die Abschaffung der Einbahnregelung sei "eine große Chance, das Viertel städtebaulich erheblich aufzuwerten". CSU-Fraktionssprecher Valentin Auer, der seinerseits 20 Pro-Alternative-5-Unterschriften in der Nachbarschaft gesammelt hat, sagt: "Ich fürchte, wenn sich die Stadtpolitik nicht einigt, verschwindet das Projekt wieder in der Schublade."

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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