Mauerbau in München-Neuperlach:Jetzt kommen die Flüchtlinge nach Neuperlach

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Die Steinmauer von oben - noch im Bau (Archivbild vom 7. November 2016) (Foto: dpa)

In München-Neuperlach wurde vor einem Jahr eine riesige Steinmauer gebaut - an einem Flüchtlingsheim. Lärmschutz oder Rassismus? Darüber wird noch immer gestritten. Heute kommen die ersten Bewohner.

Von Josef Wirnshofer

Eine Mauer, sagt Till Hofmann, ist für ihn grundsätzlich nicht Ausdruck einer funktionierenden Nachbarschaft. Eine Mauer trenne Menschen nun mal, Punkt. Deshalb wollte er damals, in all dem Trubel, all den aufgeheizten Diskussionen, deutlich machen, dass das nicht noch mal passieren soll. Dass die Stadt das nächste Mal eine andere Lösung finden soll.

Vor gut einem Jahr wurde an einer Flüchtlingsunterkunft im Münchner Stadtteil Neuperlach eine vier Meter hohe, hundert Meter lange Mauer gebaut. Mehrere Anwohner hatten sie sich mit einer Klage erstritten. Ihre Begründung: der Lärmschutz. Die Gegner sagten: Rassismus. Und dann war da dieses Video, das ein Lokalpolitiker mit seiner Drohne gefilmt und ins Netz gestellt hat. Darin schnitt er die Bilder aus Neuperlach mit Bildern der Berliner Mauer gegen - und trat eine weltweite Diskussion los. Reporter aus Großbritannien, Italien, aus Russland und Japan kamen nach Neuperlach. In Deutschland, so konnte man damals lesen, ziehen sie jetzt wieder Mauern hoch.

In Uniform standen sie dort

Till Hofmann, 47, erinnert sich gut an die Aufregung. Er ist damals ja selbst aktiv geworden. Hofmann ist Mitinitiator von Bellevue di Monaco, einer Münchner Sozialgenossenschaft, die sich vor allem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einsetzt. Als Betreiber des Lustspielhauses und der Lach- und Schießgesellschaft gibt er außerdem seit Jahren Satirikern in München eine Bühne. Dass er den Vergleich mit der Berliner Mauer gerne aufgegriffen hat - eh klar.

Am 9. November 2016 errichtete Hofmann mit Kollegen und prominenten Unterstützern von Bellevue di Monaco an der Neuperlacher Mauer den "Checkpoint Ali", einen fiktiven Grenzübergang. In Uniform standen sie dort, verteilten Plastikblumen, Rotkäppchen-Sekt und D-Mark-Scheine aus Papier. Nicht alle waren von der Satire-Aktion begeistert. "Aber Satire funktioniert halt nur, wenn man etwas überhöht", sagt Hofmann.

Die Einzigen, die die ganze Zeit über gefehlt haben: die Flüchtlinge

Ein ganzes langes Jahr ist seitdem vergangen. Ein Jahr, in dem es Anfeindungen auf allen Seiten gab. Gegen die Anwohner, weil sie die Mauer gefordert haben. Gegen den Lokalpolitiker, weil er mit seinem Video die Unruhe nach Neuperlach geholt hat. Und gegen die Stadt München, weil sie sich auf einen Vergleich mit den Anwohnern eingelassen hat, statt die Sache vor Gericht zu klären.

Die Einzigen, die die ganze Zeit über gefehlt haben: die Flüchtlinge. In der Wohnanlage hat noch niemand gewohnt, sie steht seit mehr als einem Jahr leer. Die Flüchtlinge, könnte man sagen, sind der Godot dieser Geschichte: Der Unbekannte, von dem alle reden, den aber keiner je getroffen hat.

Jetzt sollen sie kommen. Am Montag sollen erstmals Flüchtlinge in die Unterkunft ziehen. 30 Frauen mit ihren Kindern. Die Frage, die die Mauer in Neuperlach von Anfang an aufgeworfen hat, stellt sich jetzt mehr denn je: Wie leben wir mit den Menschen, die zu uns kommen?

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Vor einem Jahr wurde vor eine Unterkunft in München-Neuperlach eine monströse Mauer gebaut. Lärmschutz, sagen Nachbarn. Rassismus, sagen Gegner. Jetzt sollen die Flüchtlinge kommen.

Von Josef Wirnshofer

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