Liga für Gamer:Zum Zocken in den Keller

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In einer Art Fitnessstudio für Computerspiele in Baldham wird das E-Sport-Turnier "Bayerns beste Gamer" ausgetragen, in Counter-Strike oder League of Legends - Zuschauer inklusive.

Von Christian Endt

"Flash kommt", sagt Lena Babic und drückt die linke Maustaste. Kurz darauf füllt sich ihr Bildschirm mit weißem Nebel. Shushu dreht sich weg, um nicht direkt in die Blendgranate zu schauen. Babic dreht am Scrollrad ihrer Maus. Daraufhin nimmt Shushu ihr Gewehr in die Hand und wartet, ob im Nebel ein Terrorist auftaucht. Shushu und Babic sind ein gutes Team: Lena Babic ist 21 Jahre alt, trägt lange blonde Haare und lebt in Nürnberg. Shushu trägt meistens einen Kampfanzug, dazu Pistole oder Gewehr, und rennt durch englische Burgen oder Altstädte im Nahen Osten.

Lena Babic und Shushu - das sind eine Counter-Strike-Spielerin und ihre Spielfigur. Shushu ist Babics "Nickname", ihr Spitzname in der virtuellen Welt von Counter-Strike. Der Ego-Shooter, bei dem die Spieler die Welt auf dem Bildschirm mit den Augen ihrer Spielfigur sehen, gehört weltweit zu den beliebtesten Computerspielen - aber auch zu den umstrittenen.

Wegen der großen Nähe zum Geschehen und der Brutalität wird Counter-Strike immer wieder als Killerspiel bezeichnet. Die typische Handlung ist schnell erzählt: Mal schlüpfen die Spieler in die Rolle eines Terroristen, dann wieder sind sie Polizisten oder Soldaten. Meistens versuchen die Terroristen, eine Bombe zu legen, was die Sicherheitskräfte verhindern wollen.

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Zwischenmenschliche Interaktion

Babic und ihre vier Kollegen vom Team "spazdunno" duellieren sich an diesem Abend mit dem Team "VorkaueN" im Keller eines grauen Betonklotzes in Baldham. Dort wird im "E-Sport Club München" (ESCM) das Turnier "Bayerns beste Gamer" ausgetragen. Der ESCM ist ein großer Raum, in dem viele Computer stehen. Decken und Wände sind schwarz gestrichen, die einzige Lichtquelle sind ein paar blaue und rote LED-Leuchten. Nichts soll die Spieler von ihren Bildschirmen ablenken.

Im Kühlschrank der Bar stehen Energy-Drinks, am Automat gibt es Erdnüsse und Pistazien in Dosen. Früher trafen sich Computerspieler im Keller eines Freundes zur "LAN-Party" und zockten die Nächte durch, wachgehalten von billiger Discounter-Cola. Der ESCM bietet so etwas wie die professionelle Version dieser LAN-Partys - eine Art Fitnessstudio für elektronischen Sport. Die Mitgliedschaft kostet 30 bis 40 Euro im Monat.

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Lena Babic ist die einzige Frau, bei den beiden anderen Finalteams ist gar keine Spielerin dabei. Kaum ein Hobby ist so männerdominiert wie Computerspielen. Die Nürnbergerin, die gerade eine Ausbildung bei der Polizei macht, hat aber auch schon auf reinen Frauen-Turnieren gespielt. Babic sagt, sie spiele Counter-Strike seit 2006, "professionell habe ich vor drei oder vier Jahren angefangen". Viel früher wäre auch nicht gegangen, schließlich ist Counter-Strike von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) erst ab 16 Jahren freigegeben.

Beim Turnier im ESCM spielt Babic aushilfsweise mit, weil das Team "spazdunno" noch einen Spieler gebraucht hat. Als Schülerin habe sie in einem festen Team regelmäßig Wettkämpfe gespielt, erzählt sie. Es gibt im E-Sport organisiert von der Electronic Sports League (ESL) einen eigenen Ligabetrieb samt deutscher Meisterschaft und internationalen Turnieren. Wer da mitspielen will, muss mehrmals die Woche trainieren und zu Spielen antreten. Wie im Fußballverein, nur dass Computerspieler dafür nicht vor die Tür gehen müssen.

Clubs wie der ESCM versuchen, dem Elektrosport ein bisschen mehr direkte zwischenmenschliche Interaktion zu verpassen. Hier kommen junge Leute nicht nur zum Spielen her. Vor einer Leinwand stehen Kinosessel, dort werden die Spiele live übertragen. Wenn irgendwo ein internationales Turnier stattfindet, treffen sich die Fans hier, um es gemeinsam anzuschauen.

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Die Altersfreigaben müssen beachtet werden

An diesem Tag sitzt nur eine Handvoll Zuschauer auf den dunkelblauen Polstern. Auf zwei großen Leinwänden sehen sie das Spiel jeweils aus der Sicht eines Spielers. Sehen, wie er durch die virtuelle Welt läuft, das Gewehr im Anschlag, und nach Gegnern Ausschau hält. Erwischt er einen der Feinde, verteilt sich Blut auf der Leinwand. Diese Gewaltdarstellung und die damit verbundene Altersfreigabe seien der Grund, warum beim Counter-Strike-Turnier eher wenige Zuschauer da sind, sagt ESCM-Geschäftsführer Robert Fankhänel: "In der Gaming-Szene sind viele noch keine 16, die dürfen nicht rein."

Die kämen nur, wenn das zweite bedeutende ESL-Spiel gespielt wird: League of Legends, ein strategisches Fantasy-Spiel mit Magiern und Trollen. Gekämpft wird da zwar auch, aber die Vogelperspektive führt automatisch zu mehr Distanz. Und durch das Fantasy-Umfeld wirkt das Töten nicht so real wie in Counter-Strike, daher ist League of Legends ab 12 Jahren freigegeben.

Kommentatoren analysieren Leistung und Taktik der Teams

Wer nicht im Kinosessel sitzen mag, kann das Turnier auch von zu Hause übers Internet verfolgen. Wie beim Fußball gibt es Kommentatoren, die Leistung und Taktik der Teams analysieren und Hintergrundwissen liefern. Im ESCM kommentiert gerade Stephan Wieser, mit Vollbart und Karohemd könnte er auch Skater sein oder Kellner in einer Hipster-Kneipe. "Ich verstecke nicht, dass ich auch einer bin, der die ganze Zeit zockt", sagt Wieser, "aber gleichzeitig versuche ich, professionell zu sein und Fachwissen mitzubringen." Er kann sehen, wie viele Zuschauer gerade online dabei sind: 23 sind es am Sonntagabend gegen halb acht.

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Auch Lena Babic überträgt ihre Spiele ins Netz. Für fünf Euro pro Monat können andere ihr beim Kämpfen zusehen. Den Kommentar dazu spricht sie selbst. "Ich rede dabei nicht nur über das Spiel, sondern erzähle auch, wie mein Tag so war", sagt Babic. Auf einem zweiten Bildschirm liest sie Kommentare und Fragen der Zuschauer. 110 Abonnenten interessieren sich derzeit für dieses Angebot. Shushu entwickelt sich vom Nickname zu einer Marke. Während des Wettkampfs hat Babic aber keine Zeit für Geplauder. Da beschränkt sie sich auf Zwei-Wort-Kommandos an ihr Team.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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