Lehrermangel in München:Sieben Klassenlehrer in einem Jahr

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"Für die Kinder eine Katastrophe": An den Münchner Grundschulen fehlen Pädagogen, die mobilen Ersatzkräfte reichen nicht aus.

C. Rost

Wenn die Kinder der ersten Klasse an der Grundschule in der Werdenfelsstraße Glück haben, sind sie vor den Sommerferien mit dem Alphabet durch. Momentan sind sie erst beim X, denn in ihrer Klasse unterrichtet bereits die sechste Lehrerin in diesem Schuljahr: Die Mutter eines Schülers, die sich zur Verfügung stellt, weil ihre hauptamtlichen Kolleginnen krankheitsbedingt ausgefallen oder im Mutterschutz sind.

In München herrscht an vielen Grudnschulen Lehrermangel. Die Eltern sind verärgert: "Warum plant das Schulamt nicht besser?" (Foto: Foto: ddp)

Die Schule im Waldfriedhofviertel ist eine von vielen in München, die unter Unterrichtsausfall und Lehrermangel leiden. Das staatliche Schulamt spricht von einem "Problem".

An den Hauptschulen, denen im Frühjahr Lehrkräfte fehlten, hat sich die Situation beruhigt, nicht aber an den Grundschulen. In der Werdenfelsstraße ist die eigentliche Klassenlehrerin zum zweiten Mal erkrankt, sie hat sich ein Bein gebrochen.

Problem: Zahlreiche Erkrankungen

Unter den Ersatzlehrkräften der sogenannten Mobilen Reserve, die sich die Klinke in die Hand geben an der Schule, waren zwei schwangere Frauen. Eine davon, in der 25. Woche und in Erwartung von Zwillingen, konnte nur neun Tage bleiben. "Die Lehrerinnen können nichts dafür, aber warum plant das Schulamt nicht besser?", fragt eine Mutter. "Für die Kinder ist der ständige Wechsel eine Katastrophe."

Die aktuelle Lehrkraft, die selber einen Sohn in der Klasse hat, bewährte sich und konnte mit den Kindern einigen Stoff aufholen. Zunächst wurde sie für 17 Stunden pro Woche angestellt. Weil der Regierung von Oberbayern dann aber das Budget für Aushilfslehrkräfte knapp wurde, kann die Frau jetzt nur noch neun Stunden beschäftigt werden. Zusätzlich muss wieder eine Mobile Reserve in die Klasse. "Das habe ich in 15 Schuljahren noch nicht erlebt", kommentiert eine Lehrkraft verblüfft.

Und Rektor Matthias Spigiel muss hilflos zusehen: "Auf die Zuteilung des Lehrpersonals habe ich leider keinen Einfluss." Er kann froh sein, wenn er überhaupt Ersatz findet. Oft bekommt er beim Schulamt auf Nachfragen nach Aushilfen nur ein Fax: "Reserven stehen nicht zur Verfügung!"

Auch die Grundschule an der Ittlingerstraße am Harthof hatte in den vergangenen Monaten mit Personalmangel zu kämpfen. Die Eltern der Klasse 3b fielen im Februar aus allen Wolken, weil die Klassenlehrerin plötzlich gekündigt hatte. Bis nach den Faschingsferien mussten die Kinder auf andere Klassen aufgeteilt werden, erst dann kam eine Aushilfe.

Nach den Osterferien wurde allerdings auch diese Lehrerin krank, wieder wurde aufgeteilt. Allein im Monat Mai fielen dann 35 Schulstunden in der Klasse 3b aus. Wutentbrannt schrieben die Eltern einen Brief ans Kultusministerium. Rektorin Monica Schröger zeigt Verständnis für die Sorgen der Eltern: "Sie sind zunehmend besorgt, denn mit den neuen Übertrittsregeln beginnt der Druck schon in den dritten Klassen." An ihrer Schule wolle etwa die Hälfte der Schüler aufs Gymnasium.

Georgine Müller, Leiterin des staatlichen Schulamts, sieht das "Problem zahlreicher Erkrankungen". Derzeit reichten die in der Mobilen Reserve eingesetzten Lehrer nicht mehr aus, um alle Schulen zu versorgen. Es sei schwierig, die Zahl der benötigten Kräfte vorauszusehen. "Wir wissen ja nicht, wann jemand krank oder schwanger wird", so Müller. Sie räumt ein, dass gerade in den ersten Klassen ein "mehrmaliger Wechsel der Lehrkraft sehr unglücklich ist". Das Kultusministerium habe aber zusätzliches Personal zugesagt.

© SZ vom 20.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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