Lebensmittel:Soziale Standl-Wirtschaft

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Einkaufen auf dem Markt muss nicht teuer sein, auch wenn die Preise natürlich nicht mit den Discountern mithalten können. Ein Selbstversuch.

Von Carolina Heberling

Die Tomaten waren der Grund. Hellorange, wässrig, schlaffe Schale. Herkunft: Niederlande, so stand es auf der Plastikpackung des Supermarkts. Geschmack? Habe ich nicht gefunden. Wahrscheinlich bin ich deswegen auf den Markt, weil ich unzufrieden war. Ich bin über den Auer Wochenmarkt spaziert und habe mir die Stoffbeutel vollgeladen mit Tomaten "aus Münchner Gärten" - saftige, rote Dinger in lustigen Formen jenseits jeder EU-Norm. Das klingt romantisch. Mit dem Radl zum Markt und dort vor der schmucken Mariahilfkirche Blumen kaufen, Obst befühlen und sich freuen, weil es sie doch noch gibt, die gute Qualität. Aber kann man sich das Einkaufen dort leisten, als Studentin?

Ein bisschen fühle ich mich wie die Leute, die jeden Monat Stunden damit verbringen, die Rabattheftchen verschiedener Supermärkte zu durchforsten. Wo gibt es zwei Milch zum Preis von einer? Wer hat Rote Beete im Angebot? Auch ich weiß das inzwischen. Nur eben nicht für Penny oder Real, sondern für die Münchner Wochenmärkte. Ich bin in den vergangenen Wochen hierhin und dorthin gefahren, habe Stände miteinander verglichen, aufgeschrieben, wenn etwas besonders günstig war. Das ist zeitintensiv, aber beglückend.

Die Schnäppchen: ein riesiger Bund Petersilie für sechzig Cent. Ein guter Biowein, der nicht teurer ist als der Durchschnittsriesling aus dem Supermarkt. Besonders samstags, kurz vor Marktschluss, bekommt man an den Ständen manchmal etwas geschenkt. Ein Fladenbrot, ein Paar Wiener, ein Schälchen Oliven; sonst müssten die Verkäufer es wegwerfen. Einplanen kann man das aber nicht. Manchmal gehe ich mit dem Vorsatz los, ein Ratatouille zu machen und komme mit den Zutaten für einen Spargelcremesuppe heim, weil Spargel gerade im Angebot war.

Nur: Dieses Rosamunde-Pilcher-Landfrauen-Gefühl beim Einkaufen ist teuer, trotz aller Schnäppchen. An die Dumpingpreise vieler Ketten kommen die Marktleute einfach nicht heran. Da wandert die Discounter-Tomate dann eher in meine Tüte als ihre fruchtige Schwester vom Markt, weil sie eben nur halb so viel kostet und ein Laden bei schlechtem Wetter einladender ist als der Marktplatz. Andererseits: In welchem Supermarkt gibt es schon Urkarotten, Schwarzkohl oder Goldballrübchen? All das kann man essen, all das ist Gemüse aus Deutschland. Nur kennt es kaum jemand. Kannte ich auch nicht. Meine kulinarische Bildung: Blumenkohl, Auberginen, Spinat - die Klassiker. Und dann stehe ich vor all dem fremden Grünzeug, zeige darauf und frage: "Entschuldigung, was ist das?" "Mönchsbart", sagt der Verkäufer und hält mir etwas unter die Nase, das wie der kleine Bruder von Schnittlauch aussieht. "Der kommt aus Italien und schmeckt super zu Pasta." Mit dazu gibt es ein Rezept: Mönchsbart blanchieren, Chili und Knoblauch anbraten, alles über die Spaghetti geben und mit Zitronensaft, Salz und Parmesan abschmecken. Fertig. Vor dem Gemüseregal im Aldi hat mir so etwas noch nie jemand erzählt.

Vielleicht ist es das, was man bezahlt. Die Geschichte. Neulich, im Juni, bei Kälte und Regen am Metzgerstand: Mich fröstelt, wir ratschen, während der Verkäufer die Salami einpackt. "Mi friert' s nimmer", erzählt er in breitestem Niederbairisch, "wie ich ein Baby war, war ich draußn ohne Handschuh, dass mir glatt die Händ abgefroren san. Des is ois aufplatzt. Seitdem macht mir die Kältn nix mehr." Anekdoten, Warenkunde, Kochtipps. Da kann man schon mal sechs Euro für ein Kilo Tomaten hinlegen.

Riesige Salatköpfe für einen Euro: Haderner Wochenmarkt, samstags. Tomaten aus Münchner Gärten: bei Helminger, zum Beispiel dienstags vor St. Benno. Günstiges Gemüse: Hans-Mielich-Platz, donnerstags . Gute Wurst: Metzgerei Salzberger, zum Beispiel donnerstags am Rotkreuzplatz.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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