Zweite Stammstrecke:Mehr als nur den Tunnel im Blick

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Politiker aus dem Landkreis befürworten den Bau einer zweiten S-Bahn-Stammstrecke, fordern aber weitere Anstrengungen.

Von Michael Morosow, München

Der Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke ist ein wichtiger erster Schritt, um dem täglichen Chaos im öffentlichen Personennahverkehr in Bayern Herr zu werden. Nun aber müssen weitere folgen, insbesondere der Ausbau der Außenäste in der Region. Auf diese Kernaussage lassen sich die Reaktionen von Landkreispolitikern zur Entscheidung für eine zweite Röhre reduzieren; sieht man von den Grünen in Bund und Landkreis ab, die den Ausbau des S-Bahnnetzes in der Fläche als wesentlich dringender und sinnvoller und den zweiten Tunnel als Milliardengrab bezeichnen.

Maximilian Böltl (CSU), Bürgermeister der Gemeinde Kirchheim, die auch Mitglied im S-Bahn-Bündnis Ost ist, fasst die Ängste der Gemeinden in der Region in ein Bild: "Wir müssen aufpassen, dass wir beim Bau des Hauses die Türen nicht vergessen." Für die Sprecher des Bündnisses ist die zweite Stammstrecke untrennbar mit einem viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen dem Münchner Ostbahnhof und Markt Schwaben verbunden. Ohne diesen Ausbau werde der Engpass in diesem Bereich weiter verschärft. Das S-Bahn-Bündnis Ost werde nun ein Gutachten über dieses Nadelöhr erstellen lassen, kündigt Böltl an.

Otto Bußjäger (Freie Wähler), der im Kreisausschuss für Mobilität und Infrastruktur sitzt, bezeichnet den zweiten Tunnel als "Herzstück" für den kompletten Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, der ihm offenbar gar nicht weit genug gehen könne. Der Großraum München müsse mit S-Bahnen weit hinaus erschlossen werden, "zwischen Landsberg und Landshut", sagt Bußjäger.

"Es ist Zeit geworden", findet Landrat Christoph Göbel (CSU). Aber auch wenn es eine Weichenstellung sei, gefußt auf der richtigen Erkenntnis, dass die Region unbedingt eine Mobilitäts-Infrastruktur brauche - unterm Strich sei es nur ein, wenn auch wichtiger Mosaikstein. Die Münchner S-Bahn sei auf 350 000 Fahrgäste täglich ausgelegt worden, heute seien es mehr als 800 000. Mit der zweiten Stammstrecke würde alles wieder vom Kopf auf die Füße gestellt, aber zum Durchbruch sei die Verstärkung der Außenäste wichtig.

Die Grünen sprechen von "Milliardengrab und Prestigeobjekt"

Ins gleiche Horn stößt Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD): "Im Großraum München sind wir auf einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr zwingend angewiesen, ich halte eine Erweiterung für sehr stark erforderlich." Für die Sauerlacher Bürgermeisterin Barbara Bogner (UBV) muss der Bau der zweiten Stammstrecke der erste Schritt zu einem S-Bahn-Ringschluss sein. Darüber hinaus habe sie sich vor Zeiten an die Bahn mit dem Vorschlag gewandt zu prüfen, ob es nicht besser wäre, alle Außenäste nur bis zum Ostbahnhof beziehungsweise Pasinger Bahnhof laufen zu lassen, dort Umschlagbahnhöfe einzurichten und den Tunnel für eine Art unterirdischen Shuttle-Service zu nutzen. "Dann könnte auf allen Außenästen im Zehn-Minuten-Takt gefahren werden", sagt Bogner. Die Bahn aber habe mit Verweis auf die Kosten abgewinkt. "Die wären nicht ein Zehntel so hoch gewesen wie sie jetzt sind."

Bela Bach, die Kreisvorsitzende der SPD und Bundestagskandidatin, freut sich uneingeschränkt auf die zweite Stammstrecke: "Sie ist in jedem Fall eine Verbesserung für die Pendler aus dem Landkreis. Wir profitieren am meisten davon. Jeder weiß, wie überfüllt die Züge vor allem im Winter sind." Natürlich sei auch die Ertüchtigung der Außenäste sinnvoll und notwendig, aber Tangentialverbindungen ließen sich auch durch Buslinien herstellen. "Das eine nicht anzunehmen nur in der Hoffnung auf ein künftiges Ereignis, ist kein gangbarer Weg", sagt Bach.

Von einem Hurra ist man im Lager der Grünen weit entfernt. Deren Bundestagsabgeordneter Toni Hofreiter schreibt in einer Pressemitteilung von einem Milliardengrab und einem Prestigeobjekt. München brauche kein bayerisches Stuttgart 21, sondern den Ausbau des S-Bahn-Netzes in der Fläche. Und für die beiden Vorsitzenden der Landkreis-Grünen, Antje Wagner und Sabine Pilsinger, zementiert die zweite Stammstrecke die auf das Zentrum Münchens gerichtete Verkehrsinfrastruktur dauerhaft. Viel dringender nötig seien tangentiale Verbindungen über den Südring und den Nordring, sagen die Grünen.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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