Von wegen hitzefrei:Schwitzen bis zur letzten Stunde

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Die Temperaturen können dieser Tage noch so hoch klettern, früher schulfrei geben nur noch die wenigsten Rektoren im Landkreis. (Foto: Petra Schramböhmer/Mauritius Images)

Trotz der anhaltend hohen Temperaturen geben Schulleiter den Kindern nur noch äußerst selten hitzefrei. Weil Eltern eine Betreuung ihrer Kinder erwarten dürfen, ist diese Maßnahme mit großem Aufwand verbunden.

Von Daniela Bode, Landkreis

Die Luft flimmert, das Thermometer knackt aktuell immer wieder die 30-Grad-Marke, für diesen Donnerstag sind sogar 35 Grad angesagt. Jeder Schüler im Landkreis lechzt wahrscheinlich danach, dass es "hitzefrei" gibt. Doch der frühere Unterrichtsschluss wegen hoher Temperaturen ist zur Rarität geworden. Manche Rektoren und Direktoren schließen die bei den Kindern beliebte Maßnahme ganz aus, andere machen nur Gebrauch davon, wenn es so heiß ist, dass kein Unterricht mehr möglich ist oder die wichtigen Prüfungen vorbei sind. "Das entscheiden die Schulleiter, und zwar nach den räumlichen Gegebenheiten vor Ort", sagt Schulamtsleiterin Evelyn Sehling-Gebranzig.

Weder für Grund- und Mittelschulen noch für die Gymnasien in Bayern gibt es eine verbindliche Regelung, dass Kinder ab einer bestimmten Temperatur "hitzefrei" bekommen. "Die Bedingungen sind ja völlig unterschiedlich - bei einem Neubau mit viel Glas sieht es anders aus als bei einem altehrwürdigen Bau mit kleinen Fenstern", sagt Kathrin Gallitz von der Pressestelle des Kultusministeriums.

Wenn der Unterricht früher beendet werde, müsse sich die Schulleitung darum kümmern, die Betreuung der Kinder sicherzustellen, so Gallitz. An den Grund- und Mittelschulen, für die Sehling-Gebranzig und das Schulamt zuständig sind, würden die Kinder dann von Lehrern bis zum regulären Unterrichtsende betreut, bis sie in den Hort oder die Mittagsbetreuung gehen könnten.

"Das ist nicht mehr zeigemäß."

Gerade diese Betreuungssituation ist für Christine Neumann, Rektorin der Grundschule Neukeferloh, ein Grund, seit diesem Schuljahr kein Hitzefrei mehr zu geben. "Das ist ein Verwaltungsaufwand, den kann ich nicht leisten", sagt sie. Von 7.30 bis 13 Uhr habe die Schule die Kinder zu beaufsichtigen, der Hort übernehme sie bei einem vorzeitigen Unterrichtsschluss nicht eher. Da 120 von 330 Kindern den Hort besuchten, "ist das für uns nicht realisierbar", sagt sie. "Das ist nicht mehr zeitgemäß." Zumal es auch passiere, dass Kinder bei einem früheren Unterrichtsschluss einfach heimgingen. Dann müsse man herumtelefonieren, wo das Kind sei.

Ohnehin findet die Rektorin, dass den Schülern keine gute Haltung vermittelt werde, wenn der Unterricht früher endet, weil es heiß ist. "Wir bereiten die Kinder auf das Leben vor", sagt Neumann. Ein Bauarbeiter, der die Straße teert, könne auch nicht einfach gehen, wenn es ihm zu warm ist. Zwar gebe es ein paar Räume an der Schule, die nach Osten ausgerichtet sind und sich daher im Sommer schon in der Früh aufheizten. "Aber wie viele Wochen im Jahr ist es so warm?", fragt Neumann. "Da müssen die Kinder durch." Eine kleine Linderung gibt es: Den Lehrern stehe frei, keine Hausaufgabe zu geben. Wenn es sehr heiß sei, könne für die dritte und vierte Klasse der Sportunterricht am Nachmittag entfallen. Der Elternbeirat ist mit der restriktiven Handhabe derweil nicht glücklich.

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Auch Rektorin Edeltraud Ullrich von der Grundschule Pullach findet ein Hitzefrei organisatorisch schwierig. Dennoch steht sie dem früheren Unterrichtsschluss bei Hitze grundsätzlich offen gegenüber. "Wir haben Fensterfronten nach Osten und Werkräume direkt unter dem Dach, da wird es sehr heiß", sagt sie. Sie müsse auch auf die Gesundheit ihrer Schüler achten und die der Kollegen, etwa wenn eine Lehrerin schwanger sei. Man müsse nicht gleich am ersten heißen Tag den Unterricht früher beenden, aber eben immer abwägen. Manchmal stimme sie sich auch mit anderen Grundschullehrern im Isartal ab. Für heiße Tage lassen sich die Lehrer an der Grundschule Pullach auch Alternativen einfallen. Dann findet der Musikunterricht oder Lesen eben einmal in dem kleinen Pausenhof statt, in dem es Schatten gibt. Rektorin Ullrich setzt außerdem auf eine umfassende Information der Eltern: Sie erhalten vor dem Hitzefrei einen Elternbrief, um 10 Uhr wird an dem entsprechenden Tag auf der Schul-Homepage darüber informiert, ob an dem Tag der Unterricht früher endet. Am Mittwoch stand da noch: "Derzeit kein Hitzefrei geplant!"

Gegen Schuljahrsende geht es in Unterhaching lockerer zu

An den Gymnasien müssen die Schüler grundsätzlich lange schwitzen, bis sie früher zum schwimmen fahren können. Weil Prüfungen anstünden, die Lehrer Noten machen müssten und die Eltern sich auf die Betreuung der Kinder verließen, gebe es am Gymnasium Neubiberg eigentlich kein Hitzefrei, sagt Direktor Reinhard Rolvering. Wenn es ein bis zwei Mal im Jahr doch dazu kommt, dann nur nach 13 Uhr und wenn es so heiß ist, dass Unterricht nur schwierig zu halten wäre. Die Kinder, die die offene Ganztagsschule besuchen, könnten dann schon früher dorthin gehen. Manchmal weiche man bei Hitze auf kühlere Räume im Keller aus. Verständnis hat Rolvering für den Wunsch nach hitzefrei sehr wohl. Er erinnert sich gut an seine Schulzeit, als die Kinder riefen: "30 Grad im Schatten, wir schwitzen wie die Ratten, unser letzter Hilfeschrei: Hitzefrei!"

Die Erinnerung an alte Zeiten schwingt auch bei Brigitte Grams-Loibl, Direktorin des Unterhachinger Gymnasiums, mit. "Ich versuche wenigstens einmal im Jahr hitzefrei zu geben, das ist so eine nostalgische Sache", sagt sie. Eigentlich hält sie die Maßnahme aber wie Christine Neumann für anachronistisch. "Wir leben in einer anderen Zeit. Wir haben einen Ganztagsbetrieb", sagt Grams-Loibl. Wenn die Kinder der offenen Ganztagsschule früher aus hätten, könne sie sie nicht einfach nach Hause schicken. Zudem würden noch Schulaufgaben geschrieben. "Wir haben noch vier Wochen vollen Betrieb", sagt die Schulleiterin. Trotz der momentan hohen Temperaturen versucht sie, den Unterricht bis zum Ende durchzuziehen. Gegen Schuljahresende geht es dann etwas lockerer zu. Zur Vorbeugung, dass vielleicht hitzefrei gegeben werden könnte, hat Grams-Loibl schon die Eltern informiert.

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© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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