Verfassungsschutz:Rechtsextreme mieten Räume in Forstenried

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Im Münchner Süden entsteht offenbar ein neuer Treffpunkt für Neonazis - direkt neben einer Polizeiinspektion.

Bernd Kastner

Im Münchner Süden droht ein Treffpunkt für Neonazis zu entstehen, und das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Polizei in der Drygalski-Allee. Laut bayerischem Verfassungsschutz hat die rechtsextreme "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA) in Forstenried ein bisheriges Gewerbeobjekt angemietet. Es sei davon auszugehen, dass nicht nur die BIA, die mit Karl Richter im Stadtrat vertreten ist, sondern auch die NPD und andere neonazistische Organisationen aus dem Großraum München dieses Haus als Versammlungs- und Veranstaltungsort nutzen würden.

Es ist nicht auszuschließen, dass auch die NPD das Haus im Münchner Süden als Versammlungs- und Veranstaltungsort nutzen könnte. (Foto: ag.dpa)

Die BIA nennt ihre Räume in einer Erklärung "Stadtratsbüro" und kündigt an, es in den kommenden Wochen "mit politischem Leben" zu füllen und für "soziale Aktivitäten" zu nutzen. Die Münchner Neonazis wollen ihr "Kommunikationszentrum" im Beisein von Rechtsextremen aus ganz Deutschland eröffnen.

Nach SZ-Informationen handelt es sich bei dem Zentrum um Kellerräume in der Drygalski-Allee 33. Dort steht ein Gebäudekomplex, in dem auch die Polizeiinspektion untergebracht ist. Mietbeginn war offenbar der 1. Juli. Seitens der Polizei heißt es, dass es bislang keine Probleme mit den Extremisten gegeben habe.

Die Nachricht vom entstehenden Neonazi-Treff wird in derselben Woche bekannt wie eine Gerichtsentscheidung gegen Nazi-Gegner. Das bayerische Innenministerium verkündete, wie berichtet, am Dienstag, dass der Verfassungsschutz das antifaschistische Informations- und Dokumentationsarchiv Aida weiter als linksextremistisch und demokratiefeindlich bezeichnen darf.

Aida hatte eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Nennung im Verfassungsschutzbericht verloren. Der mehrfach ausgezeichnete Verein, der zu den renommiertesten Gegnern von Neonazis in Deutschland zählt, hat vor ein paar Wochen einen ersten Anmietversuch der extremen Rechten ebenfalls in Forstenried verhindert. Als Aida publik machte, dass die Neonazis ein Objekt in Forstenried angemietet hatten, kündigte der Vermieter sofort rückwirkend den Vertrag. "Die Immobilienfirma hat hervorragend reagiert", lobt Marcus Buschmüller, Vorsitzender von Aida.

Siegfried Benker, Grünen-Chef im Rathaus, appellierte an Stadt und Bürger, das Entstehen einer rechtsextremen Basis zu verhindern. Er würdigt die Rolle bürgerlicher Netzwerke: Diese könnten, anders als der Verfassungsschutz, nicht nur beobachten, sondern auch handeln, öffentlichen Druck aufbauen und Vermieter sensibilisieren.

Entsprechend harsch fällt die Kritik der Grünen am aktuellen Urteil gegen Aida aus. "Oberflächlich" und "uninformiert" sei es, da es sich fast ausschließlich auf die Verlinkungen stütze, die von der Aida-Internetseite zu anderen Organisationen weisen, die der Verfassungsschutz als extremistisch einstuft. "Der Verfassungsschutz will nicht die Verfassung schützen, sondern will eine Interpretationshoheit darüber, wer die Verfassung schützen darf", wettern die Grünen in Richtung Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Bei Aida ist man entsetzt über das Urteil und die Darstellung Herrmanns, der die Nazi-Gegner in Zusammenhang mit Mai-Krawallen bringt: Aida verharmlose linksextreme Gewalt. Buschmüller weist dies vehement zurück.

© SZ vom 08.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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