Unterhaching:Europazentrale in der Warteschleife

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Das chinesische Kommunikationsunternehmen Phicomm hofft, Mitte des Jahres mit dem Bau beginnen zu könnn. Insgesamt sollen mehr als tausend Arbeitsplätze entstehen

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Dass man mit deutschen Behörden mitunter sehr geduldig sein muss, weiß Jie Lin. Der Geschäftsführer des chinesischen Kommunikationsunternehmens Phicomm Europe lebt schon sehr lange in Deutschland, die längste Zeit seines Lebens hat er sogar in Bayern verbracht. Nun befindet sich der Geschäftsmann in Unterhaching schon ganz besonders lange in der Warteschleife, bis er das endgültige Okay für den Bau des 85 Millionen teuren neuen Headquarters von Phicomm bekommt und die Bagger an der Ortsgrenze zu Neubiberg anrollen können.

Inzwischen ist Jie Lin aber zuversichtlich, dass das 200 Meter lange Gebäude an der Gauss-Allee bis Ende 2018 stehen wird. Am Dienstag sagte er bei einem Pressegespräch, dass er Mitte dieses Jahres mit dem Spatenstich plane. "Wir haben alle Auflagen erfüllt, es laufen die letzten Abstimmungen mit dem Landratsamt, sodass wir Ende März mit der Baugenehmigung rechnen können", sagte er.

"In China wäre das undenkbar."

Bereits im September 2013 hatte Phicomm das Grundstück nördlich das Bürogebäudes Hatrium an der Biberger Straße gekauft, in dem die mit zwölf Mitarbeitern bislang noch kleine Unterhachinger Belegschaft des chinesischen Unternehmens seit 2012 untergebracht ist. Doch dann dauerte es allein ein ganzes Jahr, bis das Grundstück übertragen war. "In China wäre das undenkbar", sagt Jie Lin, der nun aber froh ist, dass es endlich los gehen soll. Zuletzt hatten noch die Stellplätze in der Tiefgarage und die Fahrradständer erweitert werden müssen. Auch der Vogelschutz war aufgrund der großen Fassade des Bürogebäudes noch ein Thema.

Geschäftsführer Jie Lin wartet darauf, dass er die Pläne für die Europazentrale von Phicomm in Unterhaching umsetzen kann. (Foto: Claus Schunk)

Die Europazentrale in Unterhaching soll das dritte Headquarter des Unternehmens werden, das an seinem Hauptstandort in Shanghai sowie in den USA mit Zentralen vertreten ist. Von Deutschland aus soll dann nicht nur der Markt in Europa bedient werden, seit Dezember ist man in Unterhaching auch für die Geschäfte in Afrika und dem Mittleren Osten zuständig. Das Personal soll dann, sobald der Gebäudekomplex mit einer Geschossfläche von 34 000 Quadratmetern fertig ist, auf etwa 150 bis 250 Angestellte aufgestockt werden. Insgesamt sollen in dem fünffingerigen Bauwerk mit angeschlossenem Datencenter einmal 1200 Arbeitsplätze entstehen.

Start-ups sollen einziehen

Jie Lin schwebt vor, Start-ups und anderen kleinen Unternehmen aus der IT-Branche Teile der Büroflächen zu vermieten und ihnen vielleicht sogar eine Unternehmensbeteiligung anzubieten. Die Pläne sehen vor, das Untergeschoss als "World of Phicomm" zu gestalten und für jedermann zugänglich zu machen. Dort wird es eine Cafeteria geben, einen Fitness-Raum, Sitzecken und viele Möglichkeiten für Besprechungen und Kommunikation, "um sich gegenseitig zu inspirieren", sagt der Phicomm-Chef, "wir sehen uns als Förderer von Start-ups", sein Unternehmen wolle daher auch mit den Münchner Universitäten kooperieren.

Im vergangenen Sommer hatte der Unterhachinger Gemeinderat einstimmig grünes Licht für das Bauvorhaben gegeben. Zuvor hatte Jie Lin allerdings die Befürchtungen in der Gemeinde zerstreuen müssen, dass plötzlich 800 Chinesen nach Unterhaching ziehen würden. "Wir sind ein bayerisches Unternehmen", betont Jie Lin daher gerne, um solche Ängste gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sicher würden ein paar Experten aus China kommen, um die Europazentrale aufzubauen, "aber das sind allerhöchsten zwei Prozent der Belegschaft".

Smartphones, Netzwerklösungen und Systemtechnik als Markenkern

Alle anderen glaubt er im Großraum München zu finden. Insbesondere wegen des angespannten Wohnungsmarkts sei das ein wichtiges Argument, weiß der Geschäftsführer des Unternehmens. Auch eine etwaige Zunahmen des Verkehrs durch die Ansiedelung sieht er ganz entspannt. Schließlich würden die Mitarbeiter nicht alle auf einmal, sondern sukzessive in Unterhaching anfangen. "Wir sind ja auch kein produzierendes Gewerbe und damit in der Arbeitszeit flexibel und nicht an den Arbeitsplatz gebunden."

Phicomm will sich von Unterhaching aus vor allem mit Smartphones, Netzwerklösungen und Systemtechnik noch besser auf dem Markt positionieren. Insbesondere im Bereich Smart-Home sieht das Unternehmen, das im Herbst die Mehrheitsanteile der Fin-Data-Group übernommen hat, noch großes Entwicklungspotenzial. Licht, Energieeinsparung und Sicherheit seien die Themen bei Smart-Home-Produkten in Deutschland. Vermehrt will sich das chinesische Unternehmen aber auch im Gesundheitsbereich etablieren und mit dem vernetzten Zuhause ein "virtuelles Altersheim" anbieten. Für diese Sparte entwickelt Phicomm gerade eine spezielle Armbanduhr für ältere Menschen, die vor allem medizinische Daten übermittelt.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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