Junges Theater:Lehrreiche Machtspiele

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"Ein bisschen durchgeknallt": Tobias Volner bringt es in dem Stück als Peter Reichenbach erst zum Bürgermeister und dann zum Kanzler. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Ensemble des Jungen Bürgerhauses Unterföhring zeigt am Beispiel eines Dorfes überspitzt, wie schnell eine Demokratie zerstört werden kann.

Von Franziska Bohn, Unterföhring

Tobias Volner streckt die Arme in den Himmel, faltet die Hände über seinem Kopf zu einer Siegerpose. "Danke, danke", ruft er dem Publikum zu. Der 19-Jährige wurde gerade zum Bürgermeister gewählt, er spielt die Hauptrolle im ersten selbst erarbeiteten Stück des Theaterprojekts des Jungen Bürgerhauses in Unterföhring, das an diesem Freitag, 22. September, pünktlich zur Bundestagswahl, im Bürgerhaus seine Premiere feiert. 14 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 26 Jahren haben sich an dem Projekt beteiligt. Die Gruppe bekam Schauspieltraining, probte zweimal in der Woche unter professioneller Leitung und Regie von Anschi Prott, selbst Schauspielerin, Regisseurin, Theaterpädagogin.

In ihrem Stück "Der Kanzler - er MACHT mehr" hinterfragt das junge Ensemble politische Strukturen, die Szenen sind teilweise grotesk, gewürzt mit Ironie, Witz und Sarkasmus. Die Politsatire provoziert und regt zum Nachdenken an: Das Dorf Armingen wird in dem Stück mit der Wahl des neuen Bürgermeister Peter Reichenbach zu Reichingen. Volner beschreibt seine Rolle Peter Reichenbach als "ein bisschen durchgeknallt, aber nett und sympathisch". Er schafft es, die Bewohner auf seine Seite zu ziehen.

Wer nicht mitmacht, wird aus dem Dorf gemobbt

Mehr und mehr Wolkenkratzer entstehen in dem Dorf, obwohl die rot-grüne Opposition dagegen ist. Die neue, selbstherrliche Partei "Reichenbach für Deutschland" (RFD) gewinnt immer mehr an Einfluss. RFD mag nach AfD klingen, ist aber laut Prott keine Anspielung darauf. Die fiktive Partei im Stück soll verdeutlichen, wie schnell die politische Stimmung in einem Land umschlagen kann, bis hin zum Zerfall der Demokratie.

Die wenigen, die anders denken, werden aus der Dorfgemeinschaft gemobbt, die Gesellschaft gleichgeschaltet, Gegenstimmen ignoriert. "Besonders in einem Dorf kann das schnell passieren", sagt Prott. Den Zuschauern wird verdeutlicht, wie leicht Menschen manipulierbar sind. Im Stück wird Reichenbach am Ende sogar zum Kanzler gewählt.

Das Stückt wirkt authentisch, die Jugendlichen haben auch Gemeinderatssitzungen in Unterföhring besucht und analysiert, um sich für die Geschichte inspirieren zu lassen. Prott betont aber, dass sich das Stück auf Kommunalpolitik im Allgemeinen bezieht. "Jede Ähnlichkeit mit lebenden, toten, öffentlichen Personen ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig", heißt es in der Stückbeschreibung, wobei durchaus ein ironischer Unterton mitschwingt.

"Es ist ein gruseliges Gefühl, die Geilheit von Macht zu spüren."

Der Gruppe hat das Projekt geholfen, Politik besser zu verstehen und andere Sichtweisen einnehmen zu können, außerdem wurde ihr politisches Interesse gestärkt. Alexandra Rader, die in dem Stück eine Politikerin der Opposition spielt, möchte nun Politikwissenschaften studieren. Maria Abuter Gnebe, in dem Stück Teil der RFD, merkte, dass man als Politiker extrem viel Verantwortung hat: "Es ist ein gruseliges Gefühl, die Geilheit von Macht zu spüren."

Das junge Ensemble überzeugt. Die Jugendlichen identifizieren sich sehr mit ihren Rollen, da sie das Stück selbst mitentwickelt haben. Besonders Volner scheint mit seiner Rolle verwachsen zu sein, er spielt Theater seit er fünf Jahre alt ist. "Schon meine Oma sagte früher zu mir: Bua, du wirst mal Bürgermeister", erzählt er. Mittlerweile glaube er allerdings nicht mehr, dass er Bürgermeister werden möchte.

Aufführungen: Freitag, 22., und Samstag, 23. September, jeweils 20 Uhr, Bürgerhaus Unterföhring, Tickets über www.buergerhaus-unterfoehring.de. Im Anschluss gibt es ein Publikumsgespräch. Wer Lust hat, nächste Saison mitzuspielen, kann sich bis 15. Oktober per E-Mail an jb@theateristmehr.de oder unter Telefon 089/95 82 11 26 bewerben.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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