Theater:Hinsetzen und abschalten

Lesezeit: 2 min

Maike Bollow und Hugo Egon Balder spielen ein Paar, das seine Ehe nur durch wechselseitige Affären ertragen kann. (Foto: Florian Peljak)

Die Komödie "Sei lieb zu meiner Frau" hält dem Durchschnitts-Deutschen den Spiegel vor und ist doch nur reine Unterhaltung. Hugo Egon Balder und Jeanette Biedermann bringen den Charme einer Vorabendserie auf die Bühne des Garchinger Bürgerhauses

Von Christina Hertel, Garching

Der Mensch ist ein sonderbares Wesen. Schaut jeden Sonntag "Tatort", obwohl es meistens langweilig ist. Trifft alte Freunde, obwohl man sich schon lange nichts mehr zu sagen hat. Isst immer im gleichen Restaurant, obwohl das Essen schon lange nicht mehr richtig schmeckt. All das macht er, weil er eigentlich nur eins will: seine Ruhe. So geht es auch Karl, dem Verleger der Wochenzeitung Die Woche. Er und seine Frau führen eine Beziehung, in der etwa so viel Spannung herrscht wie auf einem Donau-Kreuzfahrtschiff.

Dazu hat er eine Geliebte, die Sabrina heißt, die ebenso blond wie seine Frau ist und die er bloß noch an der Autobahnraststätte Holledau trifft - wenn es sich alle paar Monate mal einrichten lässt. In dieser Welt hat es sich Karl gemütlich gemacht, bis eines Tages Oskar in seinem Büro steht, der Ehemann seiner Geliebten. Doch der will Karl nicht etwa die Nase zu Brei schlagen, sondern ermahnt ihn, mehr Zeit mit Sabrina zu verbringen. Denn sie fühle sich vernachlässigt. Das klingt im ersten Moment verrückt, im zweiten selbstlos, hat aber einen ziemlich egoistischen Hintergrund: Auch Oskar will seine Ruhe.

Das ist der Ausgangspunkt für die Komödie "Sei lieb zu meiner Frau", die am Donnerstag im Garchinger Bürgerhaus zu sehen war. Der Abend hinterließ nichts, was einen später zu Hause am Einschlafen gehindert hätte. Dafür konnte man einfach mal das Hirn baumeln und sich unterhalten lassen. Dazu passten die Schauspieler, die Anfang der 2000er Jahre noch für die Berieselung im Privatfernsehen sorgten. Hugo Egon Balder, bekannt aus Shows wie "Tutti Frutti" oder "Genial daneben", spielte den Verleger Karl - einen Macho mit Seidenschal, der an seine Affäre die Bonusgeschenke für seine Abonnenten weiterreicht: City-Roller, LED-Leselampe, Bach-CD. Die Geliebte wurde von Jeanette Biedermann verkörpert, die zuerst in der RTL-Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" zu sehen war und später bei "Anna und die Liebe". Jeanette Biedermann ist inzwischen 38, soll aber - zumindest in Garching - immer noch die junge, naive Blonde sein, die sich von einem älteren, erfolgreicheren Mann hinhalten lässt.

Wenn sich Karl nicht bald besser um Sabrina kümmere, werde er das Geheimnis der Affäre lüften, meint Oskar - ein Spießer, der mit einem City-Roller herum düst, E-Mail-Korrespondenz ausdruckt und im Aktenordner abheftet. Oskar spielte René Heinersdorff, der die Komödie schrieb, Regie führte und den mancher aus der RTL- Comedy-Serie "Die Camper" kennt.

Karl hat Angst um sein geliebtes, gemütliches Leben und lädt Sabrina deshalb tatsächlich zu einem Urlaub nach Istanbul ein. Was beide nicht wissen: Auch Oskar hat eine Affäre und zwar mit Karls Frau Mona (Maike Bollow - "Rote Rosen"). Die wiederum hält Oskar für einen "Mann ohne Vergangenheit" - also ohne Frau oder Kinder. Das Wirrwarr nimmt schließlich seinen Lauf, als sich alle zufällig im selben Hotel treffen.

Der Abend ist, auch wenn er niemals langatmig erscheint, ein gutes Beispiel dafür, dass auf einer Bühne zu stehen doch etwas anderes heißt, als für RTL zu spielen: Die Schauspieler deuten die Charaktere nur an und behelfen sich mit einstudierten Theater-Floskeln: Langgezogenes "Oooh" beim Hinsetzen, aus dem Fensterschauen und bei allem, was sonst noch Bewunderung oder Erschöpfung ausdrücken soll. Spaß macht, dass die Figuren - trotz Affäre - so deutsch und spießig sind, dass man manchmal den Nachbarn (oder sich selbst) darin erkennt. Die Inszenierung will in keinem Moment mehr als Unterhaltung sein. Und das versetzt einen unwillkürlich zurück in eine Zeit, in der man noch nicht den halben Feierabend darauf verwendete, die hippste Serie auf Netflix zu suchen, sondern in der man einfach den Fernseher einschaltete und einem Jeanette Biedermann entgegen lächelte.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: