Halbzeit im Rathaus Ismaning:In der Rolle seines Lebens

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Nach drei Jahren im Rathaus füllt Alexander Greulich das Amt des Ismaningers Bürgermeisters selbstbewusst, souverän und mit viel Freude aus. Der Sozialdemokrat sucht den Konsens nach offenem Diskurs - nur manchmal reagiert er emotional und impulsiv

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Der Trachtenjanker sitzt, der Händedruck auch. Die Rolle des Gastgebers gefällt Alexander Greulich sichtlich, ob bei der Regionalkonferenz der Industrie- und Handelskammer, deren Teilnehmer der Bürgermeister vorige Woche in Ismaning begrüßte, beim jährlichen Neubürgerempfang oder bei der Eröffnung der nächsten Kindertagesstätte. Ismaning ist nun einmal ein Ort, der viele Menschen anzieht, das weiß auch der Bürgermeister, und er lässt diesen Glanz durchaus gern auch nach außen hin erstrahlen. Seit drei Jahren repräsentiert Greulich nun die Gemeinde und steht ihr als Bürgermeister vor. Es war ein enges Rennen um die Amtsnachfolge des Freien Wählers Michael Sedlmair, der Ismaning 24 Jahre lang kommunalpolitisch geprägt hatte. In der Stichwahl setzte sich SPD-Mann Greulich schließlich gegen seinen Kontrahenten Josef Zettl von der CSU durch.

Zettl ist heute zweiter Bürgermeister, es war Greulich ein großes Anliegen, den Unterlegenen eng einzubinden. Auch der dritte Kandidat von 2014, Günther Glasner von der Freien Wählergemeinschaft, sitzt als Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat. Das illustriert recht gut das grundsätzliche Arbeitsverständnis der Ismaninger Kommunalpolitiker und ihres Bürgermeisters: Viel soll gemeinsam passieren, Lösungen sollen zusammen erarbeitet werden.

Echten Streit erlebt man im Gremium selten, Alleingänge auch nicht. Die Zusammenarbeit und Stimmung im Gemeinderat unter Greulichs Leitung sei gut, bestätigen auch Mitglieder der übrigen Fraktionen; für SPD-Fraktionssprecherin und Kreisrätin Johanna Hagn ist es ein "harmonisches Miteinander". Diskussionen gibt es freilich trotzdem, anders wäre es auch kaum vorstellbar angesichts des prominent und meinungsstark besetzten Gremiums mit erfahrenen Gemeinderatsrecken wie Rudi Essigkrug (FWG) oder Bruno Rimmelspacher (SPD), der stellvertretenden Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) oder dem Landtagsabgeordneten Nikolaus Kraus (FW).

Eine Fülle von Projekten zeugt von Zukunftsorientierung

Aber auch Meinungsverschiedenheiten werden meist argumentativ und ohne böse Worte geklärt, selbst wenn die Gemeinderäte Greulich und dem Vorschlag seiner Verwaltung einmal eine Absage erteilen - was jedoch selten vorkommt. Hagn bescheinigt ihrem Parteifreund diesbezüglich eine "grunddemokratische Einstellung". Ins Wanken gerät die Ruhe des Bürgermeisters allerdings, wenn einer der Kollegen mal ein Auge zudrücken will bei der Auslegung der strengen Kommunalvorschriften, etwa beim Baugesetz. In solchen Fällen kommt der Jurist in Greulich durch. Als Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentum sowie für Bau- und Architektenrecht sind ihm rechtliche Ungenauigkeiten zuwider, was schon einmal zu temperamentvollen Auslassungen führen kann. Manchmal reagiere Greulich etwas emotional, wenn etwas nicht nach seinem Willen laufe, drückt es Josef Zettl aus. Meist bleibt es aber bei einer kurzen impulsiven Rede, dann geht es wieder an die Arbeit.

Mit Schwung nicht nur im Rathaus bei der Sache: Alexander Greulich (Mitte) beim traditionellen Stockschießen der Gemeinden. (Foto: Claus Schunk)

Davon gibt es genug: Ismaning erlebt ein bemerkenswertes Wachstum. Mehr als 17 000 Einwohner zählt die Kommune inzwischen. Wegen Zuzugs von außen und einer hohen Geburtenquote braucht es Wohnungen, Kinderbetreuungsangebote und Schulen. Die Gemeinde greift diese Aufgaben an: Das eigene Gymnasium ist auf dem Weg in die Selbstständigkeit, erst kürzlich wurde die jüngste Kindertagesstätte mit acht Gruppen eröffnet; die nächste ist bereits beschlossen. Die Mittelschule wurde erweitert, eine dritte Grundschule ist angedacht. Zuletzt verkündete Ismaning, sich beim Landkreis um eine BOS/FOS zu bewerben. Weil man sich als Standort anbiete und den Schülern der Realschule den weiteren Verbleib in der Gemeinde anbieten wolle, erklärte Greulich selbstbewusst.

Die Fülle der Projekte zeugt von Zukunftsorientierung; sie bringt die Gemeindeverwaltung aber auch langsam an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Und der steigende Druck geht auch am Bürgermeister nicht ganz spurlos vorbei. Der Terminkalender ist eng, wichtige Entscheidungen häufen sich. Deshalb sei es besonders wichtig, jetzt Schritt für Schritt vorzugehen und nicht alles auf einmal anzupacken, mahnt Johanna Hagn. Das gilt auch für den Bürgermeister persönlich. "Er müsste sich vielleicht manchmal auch eine Stunde mehr für sich nehmen", meint Hagn. Außerdem müsse man als Gemeinde auch einmal darüber nachdenken, Kompetenzen abzugeben, findet etwa Günter Glasner. Dann könnte insbesondere bei Bauprojekten womöglich mehr passieren. Gerade den gemeindlichen Wohnungsbau müsste der Bürgermeister aus Sicht des Freien Wählers noch stärker vorantreiben.

Nur mit dem Biber versteht sich der Bürgermeister nicht

Finanziell steht die Gemeinde gut da, auch wenn sie zuletzt auf Reserven zurückgegriffen hat. Mit Blick in die Zukunft mahnt Zettl aber, mehr an den Wirtschaftsstandort Ismaning zu denken. Nach Meinung der CSU-Fraktion wird es höchste Zeit, dass Ismaning zu diesem Zweck einen eigenen Wirtschaftsreferenten installiert. Der Bürgermeister hält davon wenig, er will die Kompetenzen lieber bei sich und seinem Geschäftsführer Andreas Hobmeier gebündelt wissen. Ein Fehler, durch den Ismaning ins Hintertreffen gegenüber den Nachbargemeinden geraten könne, befürchtet Zettl. "Bei einer so großen Gemeinde kann man nicht mehr alles allein im Blick haben", gibt er zu bedenken.

Das letzte Wort in dieser Debatte ist noch nicht gesprochen. Bei anderen Anliegen hingegen kann sich der Bürgermeister des geschlossenen Rückhalts seines Gemeinderats gewiss sein. Wenn es zum Beispiel darum geht, die Verkehrsbelastung rund um Ismaning bei höheren politischen Stellen klar zu machen. Der vierspurige Ausbau der B 471 steht der Gemeinde ins Haus; im Ort geht die Sorge um, aber auch die klare Forderung an Greulich, die bestmöglichen Konditionen für die Kommune herauszuholen. Der 47-Jährige wird denn auch nicht müde, das Thema immer wieder anzubringen, ob beim Verkehrsministerium oder im Kreistag. Dieser Einsatz kommt im Heimatort freilich gut an.

Überhaupt scheint Greulich seine Rolle als Bürgermeister gefunden zu haben, er spielt sie meist souverän und offensichtlich auch mit Freude. Einzige Ausnahme ist der Biber: Zum großen Leidwesen des Bürgermeisters fühlt sich der Nager in den Isarauen und rund um Ismaning überaus wohl und vermehrt sich fröhlich. Das geschützte Tier hat sich so zum internen Erzfeind Greulichs gemausert - kommt die Rede auf den Nager zu sprechen, ist auf dem Gesicht des Bürgermeisters meist ein gequältes Lächeln zu beobachten.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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