Straßenausbau:Teures Pflaster

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Die Anwohner der Friedrich-Fröbel-Straße werden sich an der Sanierung beteiligen müssen. (Foto: Angelika Bardehle)

Hohenbrunn scheitert vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit seiner Klage: Anlieger müssen für die Sanierung ihrer Straßen zahlen. Das könnte Auswirkungen auf viele Kommunen haben.

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Es ist ein Urteil, das weit über Hohenbrunn hinaus Auswirkungen haben könnte: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am Mittwoch entschieden, dass Anlieger finanziell beteiligt werden müssen, wenn eine Straße erneuert wird. Gemeinden dürfen den Grundstückseigentümern diese Kosten in der Regel nicht erlassen. Die Richter wiesen damit die Berufung der Gemeinde Hohenbrunn zurück.

Es ist das zweite Mal, dass Hohenbrunn mit einer Klage gegen den Erlass einer sogenannten Straßenausbaubeitragssatzung scheitert. Ins Rollen war das Verfahren gekommen, weil die Gemeinde ihre Satzung 2013 aufgehoben hatte. Das Landratsamt München beanstandete das und verpflichtete Hohenbrunn, eine neue Satzung zu erlassen. Dagegen klagte die Gemeinde, verlor in erster Instanz, legte Berufung ein und verlor erneut. Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) kündigte am Mittwoch an, das Urteil gründlich prüfen zu wollen, sagte aber: "Die Chancen, jetzt noch etwas dagegen zu tun, sind äußerst gering."

"Sollen" heißt in diesem Fall "müssen"

In seinem Urteil beruft sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf das Kommunalabgabengesetz. Darin heißt es: Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen "sollen" Beiträge erhoben werden. Wie das genau auszulegen ist, war bislang unklar. Jetzt macht das Gericht deutlich: Sollen heißt so viel wie müssen, ist also verbindlich. Es sei denn, ein "atypischer Ausnahmefall" liegt vor. Das ist in Hohenbrunn offenbar nicht der Fall. Aber auch andere Kommunen könnten nun in die Pflicht genommen werden.

Denn, das geht auch aus dem schriftlichen Urteil hervor: Es genügt nicht, dass eine Kommune "haushaltsmäßig" mehr oder weniger gut dasteht. Es genügt auch nicht, dass sich die Gemeinde den Beitragsausfall "finanziell leisten" kann. Eine atypische Situation kommt nur in Betracht, wenn die Gemeinde die Reihenfolge der Einnahmequellen einhalte, so das Gericht.

Es bezieht sich dabei auf die Gemeindeordnung, in der festgelegt ist, wie Kommunen ihre Einnahmen beschaffen müssen. Hier gilt: Erst kommt die Erhebung von Beiträgen, dann folgen Steuern und Kredite. Konkret bedeutet das: Derjenige der einen Sondervorteil erhält, zum Beispiel weil die Straße vor seinem Grundstück saniert wird, muss sich an den Kosten beteiligen, bevor die Gemeinde Steuern anheben oder Kredite aufnehmen darf, um sich diese Sanierung leisten zu können.

Die Betroffenen könnten jetzt gegen die Gemeinde klagen

In Hohenbrunn, urteilt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, sei der Haushalt nicht unerheblich kreditfinanziert. Außerdem erziele die Gemeinde einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen aus Steuern - insbesondere der Gewerbesteuer. "Durch den Verzicht auf deren Erhebung verlagert Hohenbrunn die Finanzierung von Straßenbaumaßnahmen von den Begünstigten auf die Allgemeinheit, insbesondere auf die Steuerpflichtigen."

Das Gericht nennt noch eine weitere Voraussetzung, wann Kommunen auf eine Beitragssatzung verzichten können: Der Aufwand, die Beiträge zu erheben, muss größer sein als die Einnahmen. In Hohenbrunn sei das nicht gegeben. Auch wenn Bürgermeister Straßmair damit rechnet, dass die Gemeinde jetzt "erst einmal drauf zahlen muss". 80 Bescheide müsste die Kommune verschicken. "Bis sie rausgehen, wird es allerdings noch dauern." Frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2017 rechnet Straßmair damit. Und in der Folge erwartet er Klagen seitens der betroffenen Grundstückseigentümer gegen die Gemeinde.

Das Urteil könnte auch Folgen für andere Kommunen im Freistaat haben - denn nicht nur Hohenbrunn hat mit der Straßenausbaubeitragssatzung zu kämpfen. Im Landkreis München haben momentan laut Landratsamt nur 13 von 29 Kommunen eine Beitragssatzung. Vom Landratsamt wurde eine solche bisher nur gefordert, wenn Kreditaufnahmen und der Ausbau einer Straße zusammenfallen.

Die Anlieger der Friedrich-Fröbel-Straße in Hohenbrunn, die für den Ausbau ihrer Straße nun zahlen müssen, können sich wegen des Urteils im Nachhinein über ihre eigene Gutmütigkeit ärgern. Der Gemeinderat hatte ursprünglich beschlossen, die Straße kostenfrei auszubauen. Doch die Bürger rieten der Gemeinde selbst dazu, zuerst dringendere Projekte anzugehen - wie die Sanierung der Grundschule.

Jetzt kommen sie wohl nicht mehr darum herum, die Rechnung aus eigener Tasche zu bezahlen. Hätte sich die Gemeinde von vornherein anders verhalten müssen? "Eine schwierige Frage", sagt Bürgermeister Straßmair. "Aber hätten wir damals Straßen sanieren sollen statt die Grundschule?" Grünen-Gemeinderätin Martina Kreder-Strugalla ist anderer Meinung: "Herr Straßmair ist Jurist. Da hätte er das Ganze von Anfang an sorgfältiger prüfen müssen."

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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