Stadt am Rand:Angst vor den Folgekosten

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Melitta Meinberger sitzt auf ihrer Terrasse und blickt auf ihren Garten, der wegen des Munitionsfundes zu einer Schotterfläche wurde. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die akute Gefahr ist für Familie Meinberger nach der Bergung von Munition in ihrem Grundstück gebannt. Doch weiter stehen finanzielle Forderungen im Raum

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Lange schon ist wieder Ruhe eingekehrt in die Siedlung rund um den Zwergackerweg in Freimann. Die Absperrungen sind abgebaut, die Kampfmittelräumer, Polizisten, Sanitäter sind längst abgerückt. Auch mehr als zehn Tonnen hochexplosive Weltkriegs-Altlasten sind weg. Doch bei Familie Meinberger will keine Ruhe einkehren. Bis heute ist eine Anspannung geblieben. "Wir sind immer noch sehr besorgt, dass am Ende doch noch eine riesige Forderung auf uns zukommt", sagt Melitta Meinberger.

Die 72-Jährige steht auf den Überresten ihrer Terrasse, blickt auf die Schotterfläche, zu der ihr Garten im Frühjahr umgewühlt worden ist. Die Frau ist gefasster als damals, als ihre Siedlung westlich der U-Bahnstation Kieferngarten rund um ihr Haus weiträumig abgesperrt war. Damals stand im Raum, dass die Bergung von Munition und Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg, die in ihrem Garten verbuddelt waren, langwierig und auch für sie, die Grundstückseigentümerin sehr teuer werden würde. Heute äußert sich ihr Rechtsanwalt Florian Englert zuversichtlich, dass sie alles ersetzt bekommt.

Nach seiner Auffassung werden an Meinberger wohl zunächst die Kosten für die Wiederherstellung der Schäden hängen bleiben, die an Haus und Garten entstanden sind. 50 000 Euro fallen dafür nach seiner Schätzung an. Das Geld will er, so bald die genaue Höhe feststeht, aber von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), einer Bundesbehörde, einfordern. "Wenn sie das ablehnen, werden wir klagen", kündigt Englert an.

Gut 200 Nachbarn waren im März dieses Jahres von dem Munitionsfund betroffen; sie mussten für mehrere Wochen ihre Häuser verlassen, wurden von der Stadt in Hotels einquartiert. Die Experten häuften einen Erdwall als Schutz auf, gruben sich langsam mit Spezialgerät vor; das Fundament des Hauses musste mit Stahlträgern gesichert werden. All dies trieb die Kosten in die Höhe, wobei schnell der Rechtsbegriff des "Zustandsstörers" einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Als solche gelten Grundstückseigentümer, die wegen gefährlicher Altlasten die öffentliche Ordnung bedrohen - und deshalb in die Pflicht genommen werden, gemäß dem Grundsatz "Eigentum verpflichtet". Zu zahlen ist die Bergung aus dem Boden - Abtransport und Beseitigung übernimmt die öffentliche Hand. In einer eilig zusammengestellten Beschlussvorlage des Kreisverwaltungsreferats (KVR) hieß es: "Nach aktueller Schätzung werden die anteiligen Kosten für den Zwergackerweg aus der gesamten Kampfmittelbeseitigung den Wert des Grundstücks mit Haus voraussichtlich deutlich übersteigen." Die Meinbergers hätten also Haus und Hof verkaufen müssen und hätten immer noch Schulden gehabt. Das sei nicht zumutbar, entschied schließlich der Stadtrat - und ging mit 2,2 Millionen Euro in Vorleistung.

Nach Auskunft des KVR sind bisher Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro aufgelaufen, darin enthalten sind allein 500 000 Euro für Sicherheitspersonal und die Unterbringung der ausquartierten Anwohner. Diesen Posten werde die Stadt freiwillig übernehmen, teilt das KVR mit. Für den Rest sei Antrag bei der Bima auf Erstattung gestellt. Da das Verfahren laufe, könne nicht beurteilt werden, "ob oder welchen Betrag Frau Meinberger am Ende zu zahlen hat", sagt ein KVR-Sprecher. Er betont: Die Stadt habe stets versucht, die Belastung auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

Das Mindestmaß wird nach Einschätzung von Meinbergers Anwalt wohl der Flurschaden am Grundstück sein. Meinberger will das dann selbst bei der Bima geltend machen - und der Jurist glaubt, dies zivilrechtlich hinreichend begründen zu können. Englert, der über Kampfmittel-Recht promoviert hat, sieht den Bund als "Handlungsstörer". Demnach ist die Bundesrepublik, als Nachfolgerin des Deutschen Reiches, Eigentümerin der Kriegs-Altlasten - und als solche auch für die Folgekosten der Beseitigung verantwortlich. Im Laufe des Frühjahres will Englert einen ersten Brief an die Bima schicken.

Einstweilen wird, zumindest zum Teil, die Thomas-Wimmer-Stiftung einspringen. Die der SPD nahestehende Organisation hatte im Sommer 17 000 Euro von gut 100 Spendern zur Unterstützung der Familie gesammelt.

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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