Snooker in Heimstetten:Schach mit Bewegung

Lesezeit: 4 min

Martin Bechteler (rechts, mit Jürgen Fichtelmann) hat Snooker bis vor Kurzem nur als Zuschauer verfolgt. Nun spielt er in Heimstetten selbst. (Foto: Angelika Bardehle)

In Heimstetten treffen sich seit Anfang des Jahres die Mitglieder des Snookerclubs 147 München. Neulinge merken dort schnell: So einfach, wie es im Fernsehen aussieht, ist diese Form des Billard nicht.

Regen ist wohl das beste Wetter, um Snooker zu entdecken. Wenn der Fernseher läuft, wenn man durchs Programm zappt und dann plötzlich hängen bleibt. Bei den Herren in schwarzen Westen, mit Hemd und Fliege. Männer, die kaum sprechen, kaum jubeln, aber dafür umso länger überlegen.

Martin Bechteler sah auch so ein Turnier im Fernsehen, irgendwann vor Jahren, an so einem Nachmittag, an dem sonst nichts los war. Er konnte nicht mehr umschalten. Danach verpasste er kaum ein Spiel, fuhr mit seiner Frau sogar zur Weltmeisterschaft nach Sheffield in England. Nur selbst hielt er nie einen Queue in der Hand, stand nie an einem Snooker-Tisch. Bis vor zwei Monaten.

Da besuchte er zum ersten Mal den neuen Snookerverein in Kirchheim, den es seit Januar gibt. "Snookerclub 147 München" heißt er offiziell. Die Zahl im Namen ist keine Willkür: 147 ist die Höchstpunktzahl, das "Maximum Break", das ein Spieler nur erreichen kann, wenn sein Gegner gar nicht erst dran kommt.

Und dann noch die Ballpoliermaschine

Zufällig verirrt sich in das neue Vereinsheim wahrscheinlich keiner. Es liegt in einem Keller im Gewerbegebiet Heimstetten. Drumherum nur Büros. Aber es gibt alles, was ein Snookerspieler braucht: Zwei Tische. Bälle - richtig, es heißt Bälle nicht Kugeln. Queues. Ein Bügeleisen - um den grünen Stoff auf Platten zu glätten. Eine Kamera - um die Spielzüge aufzunehmen und anschließend zu analysieren. Und bald soll noch eine Ballpoliermaschine dazu kommen. Snooker ist ein Sport, das merkt man hier gleich, den man nicht irgendwie betreibt. Es geht um Perfektion. Präzision. Snookerspieler sind Gentlemen. Sie zeigen ihre Fouls selbst an, bevor es der Schiedsrichter tut.

Martin Bechteler (rechts, mit Jürgen Fichtelmann) hat Snooker bis vor Kurzem nur als Zuschauer verfolgt. Nun spielt er in Heimstetten selbst. (Foto: Angelika Bardehle)

Und dabei funktioniert der Sport so ähnlich wie Pool-Billard, das wohl viele schon einmal mit einer Halben Bier in der Hand in der Kneipe gespielt haben. Nur ist beim Snooker der Tisch größer, die Bälle sind kleiner und die Taschen haben eine Form, dass man exakt treffen muss, sonst kullert der Ball wieder heraus.

"Im Fernsehen", sagt Bechteler, "sieht es so einfach aus." Als er hörte, dass es bei ihm im Ort nun einen Klub gibt, dachte er, das wird ein Klacks. Die Meinung hat er geändert. "Man braucht Geduld, Durchhaltevermögen." Gerade übt Martin Bechteler Stoppbälle. Das heißt: Der weiße Ball soll den roten in die Tasche befördern und dann stehen bleiben. So will er lernen, die Bälle unter Kontrolle zu bekommen. Die Grundvoraussetzung für das Spiel, doch gar nicht so leicht. "Fast", sagt Bechteler oft. Oder: "Naja, wenigstens eingelocht." Frustriert sieht er dabei nicht aus. Bechteler ist Mitte 70. Ein drahtiger, sportlicher Mann. Kletterer, Hochschulprofessor in Pension. Seine Brille hat er mit einer Schnur am Hinterkopf festgebunden, damit sie nicht von der Nase rutscht, wenn er sich über die Platte beugt.

Das mit den Stoppbällen zeigte ihm Peter Lux. Schwarzes Hemd, Jeans, am Gürtel ist ein Stück Kreide befestigt. Er gründete den Verein. Vorher spielte Lux in Eching, aber irgendwann ging ihm die Fahrerei auf die Nerven. Lux wohnt fast 30 Kilometer entfernt im Osten Münchens und stand auf dem Weg zum Training oft lange im Stau. Dass der Verein jetzt in Kirchheim liegt, ist eher Zufall - in der Stadt fand sich ganz einfach kein bezahlbarer Raum.

Mit Rolf Kalb kommt keine Langeweile auf

Zwölf Mitglieder hat der Club im Moment. Wer dabei ist, kann spielen, wann und wie oft er will. Über ein Online-Buchungssystem können sich die Mitglieder für ein bestimmtes Datum eintragen, dann gehören die Tische ihnen. Anfängern wie Martin Bechteler zeigt Lux, wie es geht. Geld nimmt er dafür nicht, weil er kein Profi ist, sondern Berufsschullehrer, 63 Jahre alt. Er kam selbst erst vor etwa zehn Jahren zu dem Sport. Auch durch das Fernsehen und vor allem durch Rolf Kalb, den Moderator. Kalb ist so etwas wie die Stimme und das Gesicht des deutschen Snookers. Weil er die Spielzüge so beschreibt, dass auch Laien mitkommen. Und weil es für Leute, die etwas davon verstehen, trotzdem nicht langweilig ist. Wegen Kalb wurde Snooker-Schauen auch in Deutschland zu einem kleinen Trend. Bei Weltmeisterschaften brachte er zeitweise mehr als eine Million Menschen vor die Bildschirme - selbst, wenn kein einziger deutscher Spieler dabei war.

Das Bügeleisen dient zum Glätten der Oberfläche des Snooker-Tisches. (Foto: Angelika Bardehle)

Lux bezeichnet Snooker als Schach mit Bewegung. Man muss immer zwei, drei Züge vorausdenken. Das Ziel ist, den Gegner vor sich herzutreiben, zu riskanten Manövern zu zwingen. Zu snookern eben, was so viel heißt, wie jemanden sperren oder behindern. "Man muss ein bisschen etwas von Geometrie verstehen, sich vorstellen können, wohin der Ball rollt", sagt Lux.

Gerade für Ältere sei der Sport optimal. Weil der Kopf wach bleibt und es nicht schlimm ist, wenn man nicht mehr so gut zu Fuß ist. Doch besonders gerne würde Lux junge Leute für Snooker begeistern. Und auch ein paar Frauen. Von denen spielen nämlich äußerst wenige Snooker - vielleicht, weil man sich nicht allzu viel bewegen muss, vielleicht auch, weil Frauen nicht so viel Zeit haben. Das ist zumindest Lux' Vermutung. "Dabei", sagt er, "haben Frauen Glück: Sie müssen sich für die Turniere gar nicht erst qualifizieren." Im Herbst will der neue Verein auch an offiziellen Wettkämpfen teilnehmen - mit oder ohne Frauen.

Am Samstag und Sonntag, 29. und 30. April, veranstaltet der Snookerclub 147 München zwei Tage der offenen Tür in seinen Räumen an der Klausnerstraße 15 in Heimstetten. Jeweils von 12 bis 18 Uhr können Interessierte den Sport selbst ausprobieren.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: