Pullach:Altbürgermeister will keine Flüchtlinge als Nachbarn

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Der ehemalige Pullacher Bürgermeister Jürgen Westenthanner beschwert sich über die Belegung einer Turnhalle als Notunterkunft. Der CSU-Politiker fürchtet um den Wert seiner Immobilie.

Von Konstantin Kaip, Pullach

Die Turnhalle der Josef-Breher-Mittelschule in Pullach dient seit kurz vor Pfingsten als Notunterkunft für Flüchtlinge, derzeit leben dort zirka 100 junge Männer, vorwiegend aus Afrika. Für ihre Unterbringung dort hat Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) bei den Nachbarn um Verständnis geworben. Zwei Beschwerde-Mails hat sie seither erhalten und ein Protestschreiben. Das ist an sich nicht außergewöhnlich, der Absender des Briefes allerdings schon: Ausgerechnet ihr Vorgänger, Altbürgermeister Jürgen Westenthanner (CSU), hat sich in einem Schreiben an Tausendfreund und den Gemeinderat über die Unterbringung der Flüchtlinge in der Schulturnhalle beschwert.

Er wirft der Bürgermeisterin vor, weder den Gemeinderat noch die Anwohner in die Entscheidung einbezogen zu haben - und sorgt sich um eine "erhebliche Wertminderung" benachbarter Immobilien.

Jugendherberge als Alternative

Die Bürgermeisterin, schreibt Westenthanner, habe die Turnhalle "ohne Unterrichtung des Gemeinderats dem Landratsamt als geeignete Unterkunft vorgeschlagen", und zwar schon im Herbst vergangenen Jahres. Die Nachbarn aber habe sie erst kurz vor Einzug der Flüchtlinge unterrichtet, zu einem Zeitpunkt, da sich "etwaige andere Lösungsmöglichkeiten wohl kaum mehr vollziehen, geschweige denn diskutieren lassen". Als solche führt er leer stehende Häuser im Süden der Gemeinde und die kreiseigene Jugendherberge Burg Schwaneck an.

"Es ist festzustellen, dass sowohl die Gemeinde als auch das Landratsamt den Weg des geringsten Widerstands eingeschlagen haben, und die Schüler und die Nachbarn dies einfach hinzunehmen haben", heißt es in dem Brief, den außer Westenthanner und seiner Frau drei weitere Ehepaare aus der Johann-Bader-Straße unterzeichnet haben.

"Nicht unerhebliche finanzielle Frage"

Zudem stelle sich eine "nicht unerhebliche finanzielle Frage", schreibt der Altbürgermeister am Ende des Briefes: "Sollte während dieser oder einer eventuell sich wiederholenden Nutzung der Turnhalle als Sammelunterkunft eine Veräußerung eines betroffenen Nachbarhauses notwendig werden, so stellt sich ohne Zweifel die Frage der hierdurch eingetretenen erheblichen Wertminderung."

Tausendfreund weist die Vorwürfe ihres Vorgängers zurück. Sie habe die Turnhalle nicht "in eigener Selbstherrlichkeit zur Verfügung gestellt", sagte sie am Dienstag im Sozialausschuss des Gemeinderats. Vielmehr seien vergangenen Herbst alle Fraktionssprecher übereingekommen, die Turnhalle an der Mittelschule als Notunterkunft zur Verfügung zu stellen - weil das Landratsamt um einen geeigneten Standort für den Notfallplan gebeten habe. Die in Aussicht gestellte Belegung der Halle blieb dann sowohl im Herbst als auch im Frühjahr aus.

Auch Westenthanners CSU steht im Gemeinderat hinter der Entscheidung

Als kurz vor den Pfingstferien die Flüchtlinge dann tatsächlich definitiv angekündigt worden seien, so Tausendfreund, habe sie zuerst die Nutzer der Halle und dann die Anwohner kontaktiert. Sportunterricht sei nach Auskunft der Schulleitung dank Ausweichmöglichkeiten bisher keiner ausgefallen. Rückhalt bekam die Bürgermeisterin auch von Westenthanners Parteifreunden: Dass die Gemeinde die Halle zur Verfügung gestellt habe, lobte Patrick Schramm (CSU) als "politisch gute Entscheidung" und "das Beste, was wir zum jetzigen Zeitpunkt machen konnten".

Lange wird es die Notunterkunft nicht geben, wie Tausendfreund mitteilte: Landrat Christoph Göbel (CSU) habe ihr am Freitag zugesagt, dass die Halle zum Schuljahresbeginn im September wieder frei sei. Laut Göbels "sehr sicherer Einschätzung" könnten die Flüchtlinge bis Mitte August verlegt werden. Westenthanner wollte sich zu dem "persönlichen Brief" nicht äußern.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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