Heideflächen:Im Reich der verkannten Schönheiten

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Der runde Tisch in Oberschleißheim zeigt: Die Heideflächen und Lohwälder im Münchner Norden werden bereits jetzt besser gepflegt als verlangt.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Der Osmoderma eremita aus der Familie der Rosenkäfer macht jetzt erst mal eher wenig her, noch dazu riecht er etwas streng. Ihre Reize mehr im Verborgenen halten auch die "naturnahen Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien", worunter vorwiegend flache, schmucklose Grasflächen inmitten der von den Autobahnen A 9, A 92 und A 99 gebildeten dreieckigen Siedlungsinsel um Ober- und Unterschleißheim subsummiert sind. "Wir leben inmitten von meist verkannten Naturschönheiten", sagt der Oberschleißheimer Bürgermeister Christian Kuchlbauer über die verbliebene Flora und Fauna der Region, "ihr Wert erschließt sich erst auf den zweiten Blick".

Wer dann aber genauer hinschaut, kann auch "ein Juwel" entdecken, wie Elmar Wenisch von der Oberbayerischen Bezirksregierung schwärmt, wahlweise auch "eine Perle". Jedenfalls aber amtlich beglaubigt "einen wichtigen Kernbaustein" für ein europäisches Naturnetz. Die "Heideflächen und Lohwälder nördlich von München" sind unter diesem Charakteristikum nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) vom Land Bayern und der Europäischen Union als europäisches Naturerbe unter exponierten Schutz gestellt.

"Hier ist die Umsetzung dem Plan schon voraus"

Was heißt das im Detail, im Umgang mit der Fläche, dem Rasen und dem Käfer, worauf müssen Anlieger achten, worauf Spaziergänger und worauf die Behörden, die auf "Natura 2000" verpflichtet sind? Für jedes dieser Gebiete in Bayern gibt es einen Managementplan und den hat die Regierung von Oberbayern am Dienstag in Oberschleißheim vorgestellt und diskutiert. Wobei das Diskussionspotenzial eher marginal blieb, denn, ein Unikum in der bayerischen "Natura"-Landschaft: "Hier ist die Umsetzung dem Plan schon voraus", wie Anne Meyer von der Regierung sagte.

Der Heideflächenverein Münchner Norden, ein modellhafter kommunaler Verein aus fünf Anliegerkommunen plus der Landeshauptstadt München, betreut mit eigenen Pflegekonzepten seit Jahrzehnten die meisten Teile des FFH-Gebiets. Alle potenziellen Konflikte mit den üblichen Verdächtigen, Landwirten und Jägern, Hundehaltern oder expansionswilligen Rathäusern, sind weitgehend ausgefochten, bis auf Reibereien im Einzelfall oder grenzwertige Sachverhalte ist der Umgang mit dem Naturerbe für die meisten Beteiligten geklärt.

Ein großer letzter Waffengang zwischen den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen wurde jüngst um die Ausweisung der südlichen Fröttmaninger Heide als Naturschutzgebiet ausgetragen. Dieses zeitaufwendige Mediationsverfahren für ein Kernstück des FFH-Gebiets nannte Wenisch auch als Grund, warum seit der Auftaktveranstaltung zur Widmung nach "Natura 2000" im November 2007 mehr als sechs Jahre bis zum Managementplan vergangen sind.

Der Plan lässt sich auch sehr griffig bündeln: Der Magerrasen muss regelmäßig beweidet oder zur Not gemäht werden. Standortuntypische Arten, die sich nur durch die jahrzehntelange künstliche Überdüngung des Bodens überhaupt halten können, sollen reduziert und keinesfalls aktiv verbreitet werden. Beweidung durch Schafe, Ziegen oder Pferde ist zu fördern. Und für den Eremiten-Käfer, übrigens auf der "Roten Liste" in Deutschland als "stark gefährdet" eingestuft, werden Bäume markiert, die als seine Lebensräume erhalten werden.

Der Zustand darf sich nicht verschlechtern - sonst gibt es keine Vorgaben für Eigentümer und Pächter

Der Plan verpflichtet Eigentümer oder Pächter zu nichts Konkretem, lediglich verschlechtern darf sich der Zustand des Gebiets nicht. "Günstiger Erhaltungszustand" ist die Formel, die mit "Natura 2000" angestrebt wird. Dahinter zurück darf ein Eigentümer das Gebiet nicht verkommen lassen. Für Aufwertungen oder die Umsetzung konkreter Detailprojekte aus dem Maßnahmenplan sind die Naturschutzbehörden zuständig, die das über entsprechende Programme umsetzen.

Bei der Oberschleißheimer Diskussion führte dieses Verschlechterungsverbot zur Grundsatzfrage, wie denn der Managementplan dann mit grundsätzlichen Negativeinflüssen umgehe wie konkret der geplanten Ansiedlung der Polizeihubschrauber mit ihrer Lärm- und Schadstoffbelastung inmitten des FFH-Gebiets. Das sei eine andere Baustelle, wiegelte Regierungsvertreter Wenisch ab, das Verfahren für die Hubschrauber müsse den naturschutzrechtlichen Status des Gebietes berücksichtigen, umgekehrt könne der Managementplan aber nicht andere Verfahren reglementieren.

Ein zweiter Teil des runden Tisches für den nördlichen Gebietsteil findet an diesem Donnerstag von 14.30 Uhr an im Bürgerhaus Eching statt.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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