Radverkehr in Oberhaching:Wieder freie Fahrt auf der Unfallstrecke

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Das Tempolimit zwischen Deisenhofen und Ödenpullach wird teilweise aufgehoben - die Befürworter sind empört.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Die Straße zwischen den Oberhachinger Ortsteilen Deisenhofen und Ödenpullach ist schmal. Geh- oder Radweg gibt es dort nicht, und wenn bei schönem Wetter oder an den Wochenenden neben dem Autoverkehr viele Radfahrer unterwegs sind, kann es richtig eng und mitunter auch gefährlich werden. Das bewiesen einige Unfälle in den vergangenen Jahren. Seit mehr als einem Jahr gilt daher eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 Stundenkilometern. So hatte es der Umwelt- und Verkehrsausschuss des Gemeinderats im November 2016 beschlossen. Nun hat das Gremium auf Antrag der CSU das Tempolimit für das Teilstück zwischen der Einmündung Römerstraße und Ortseingang Ödenpullach wieder aufgehoben. Die Begründung: Eine ganzjährige Beschränkung auf Tempo 70 würde den Kraftverkehr mehr als nötig einschränken. SPD und Grüne sind empört.

Die CSU folgt damit der Argumentation des ADAC, der es "nicht für zwingend erforderlich" erachtet, auf der gesamten Strecke Tempo 70 anzuordnen. Er hält es stattdessen für ausreichend, wenn mit dem Schild "Achtung Radfahrer" auf mögliche Gefahrensituationen hingewiesen werde. Denn dieses dreieckige Zeichen mit dem Radsymbol besagt, dass Autofahrer die Geschwindigkeit auf 65 Stundenkilometer zu reduzieren haben, sobald vor ihnen ein Radfahrer auftaucht. So ist die Rechtsprechung. Die CSU findet eine solche Änderung plausibel, das hätten auch viele Rückmeldungen von Einwohnern aus Ödenpullach ergeben.

Die nämlich, so CSU-Fraktionschef Josef Ertl, verstünden nicht, dass sie nicht schneller als 70 fahren dürften, wenn weit und breit kein Radfahrer zu sehen sei. Auf dem etwas kurvigeren und unübersichtlicheren Streckenabschnitt von der Alten Oberbiberger Straße bis zur Einmündung nach Straßlach würde die Geschwindigkeitsbeschränkung ja beibehalten. Auch verweist die CSU auf einen Beschluss, Straßenbegrenzungslinien anzubringen, um die Straßenführung optisch besser darzustellen und den Radfahrern ein sicheres Gefühl zu geben.

Polizei sieht einen Rückschritt in der Verkehrssicherheit

SPD und Grüne können das Ansinnen, wieder hundert fahren zu lassen, überhaupt nicht nachvollziehen. "Schließlich gibt es auch zwei Stellungnahmen der Polizei dazu, die das Tempolimit für geeigneter hält", sagt Monika Straub (Grüne). Tatsächlich hatte die zuständige Polizeiinspektion Unterhaching darauf hingewiesen, dass die Änderung "einen Rückschritt der Verkehrssicherheit nach sich ziehen könnte". Die Straße sei mit nur fünf Metern recht schmal. Der zweite Abschnitt, führe durch dichten Wald, der dort einen "tunnelartigen Charakter" habe und bei schlechtem Wetter die Sicht der Fahrer massiv einschränke. Bei sonnigem Wetter führten einzelne Sonnenstrahlen wiederum zu Blendungen. Weil die Fahrbahn nur fünf Meter breit ist, geht die Polizei davon aus, dass bei Begegnungsverkehr eines von beiden Autos das Bankett streifen müsse. Sind noch Radfahrer unterwegs, sei zudem ein Meter der Fahrbahnbreite blockiert. Zwischen 2007 und 2011 listet die Polizei vier Unfälle mit zwei Schwerverletzten auf der Strecke auf, von 2012 bis 2016 gab es 17 Wildunfälle, zwei Radlerunfälle mit einem Schwer- und einem Leichtverletzten, fünf Unfälle mit "Spiegelstreifer" und drei weitere Crashs.

Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) gibt zu, bei der Entscheidung mit sich gerungen zu haben. "Ich bin da sehr zwiegespalten", sagt er. Letztlich habe er doch für eine Änderung gestimmt, weil er findet: "Wenn ich vernünftig bin, fahre ich nicht hundert. Da brauche ich kein Schild." Man werde die Situation auf der Strecke aber weiter beobachten, verspricht er. Vor allem von dem Aufbringen der weißen Streifen erwartet sich Schelle mehr Sicherheit. Das mache die Straße auch optisch sehr eng.

Erwin Knapek (SPD) hält die Änderung dagegen für einen "Irrsinn". Auch die angebliche Zeitersparnis, wenn man wieder schneller fahren darf, kann er nicht nachvollziehen. Selbst wenn man bereits beim Ortsausgang von Ödenpullach auf Tempo 100 beschleunigen würde und erst kurz vor der Römerstraße abbremse, wäre man nur 30 Sekunden schneller, hat er ausgerechnet. Knapek meint: "Ich verstehe auch nicht, wie das zu einer radfahrfreundlichen Gemeinde, die Oberhaching sein will, passt."

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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