Friedhof:"Sterben ist in Neubiberg Luxus geworden"

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Der neu gestaltete Friedhof in Neubiberg polarisiert: Die Grabgebühren auf der großzügigen Anlage sind spürbar gestiegen. Manche mussten inzwischen schon ihre Familiengrabstätten aufgeben.

Von Daniela Bode, Neubiberg

An diesem Morgen hört man leise die Autobahn rauschen, ein paar Grillen zirpen, man kann weit über das lichte Feld mit vielen Obstbäumen und Gräbern blicken am Friedhof in Neubiberg. Im Norden finden sich Urnenwände, es schließt sich ein Feld mit Gräbern an und Bäumen, unter denen Steine mit Metall-Ziffern liegen, die zeigen, dass hier ein Verstorbener begraben liegt. Im Südosten steht die Aussegnungshalle, westlich davon liegt der Meditationsgarten mit Sitzsteinen und einem Wasserbecken. Eigentlich ein wirklich schöner Ort, um seine letzte Ruhe zu finden. Der Friedhof ist nun auch gerade erweitert worden. Nur sehen nicht alle Neubiberger allein das Schöne an diesem Park. Einige ärgern sich über die hohen Friedhofsgebühren und sprechen von "Luxus".

Im Jahr 2000 bekamen die Neubiberger ihren eigenen Friedhof. Schon damals wurde das Konzept für die gesamte Fläche festgelegt, aber nur der östliche Teil errichtet. Nun ist auch der daran angrenzende Teil fertiggestellt worden. Es wurden weitere Bereiche für Gräber angelegt und für Urnenfeldgräber. In abgetrennten Bereichen stehen dort auch Bänke, die über einen schmalen Weg in Kreuzform verbunden sind. Die Gemeinde reagierte mit der Erweiterung auf den Bedarf vor allem nach weiteren Einzel- und Urnenerdgräbern.

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Für diesen Aufreger sorgt die neue Satzung. Auch die Parkzeit wird beschränkt - das dürfte nicht nur Besuchern des Friedhofs missfallen.

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Der neue Bereich, für den die Gemeinde 1,5 Millionen Euro ausgegeben hat, wurde vor kurzem eingeweiht. Die örtlichen Pfarrer segneten den neuen Teil. Ein Findling wurde auf Höhe des Meditationsgartens neu gesetzt. Bürgermeister Günter Heyland und die anwesenden Gemeinderäte sowie die Architekten pflanzten einen Baum. Landschaftsarchitektin Adelheid Schönborn erläuterte das Konzept und führte durch den Friedhof. Im Meditationsgarten sollen nach innen und außen gewölbte Tonplatten etwa an das tiefe Ein- und Ausatmen erinnern. Die Landschaftsarchitektin erläuterte unter anderem auch den neu geschaffenen Gedenkort am westlichen Ende des Meditationsgartens. Unter einem Kirschbaum an einem Kreuz aus Muschelkalk im Boden sollen Hinterbliebene auf Sitzsteinen der Verstorbenen gedenken können.

Allerdings sind nicht alle Neubiberger begeistert. Nadine Kagerer etwa beklagt, dass sich der normale Neubiberger den letzten Frieden in seiner Heimatgemeinde nicht mehr leisten könne. Seit einer extremen Gebührenerhöhung sei "das Sterben in Neubiberg Luxus geworden", kritisiert sie. 1730 Euro koste ein Einzelgrab für die Laufzeit von zehn Jahren. Im Vergleich mit umliegenden Gemeinden sei die Gebühr fast doppelt so hoch, sagt sie. Viele echte Neubiberger hätten schon ihre Familiengrabstätten aufgeben müssen. Die Kritik der hohen Kosten teilen auch andere.

Eine Frau, deren Mann und Eltern auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte haben und die an diesem Morgen auf dem Friedhof anzutreffen ist, findet ebenfalls, dass die Gebühren hoch seien. "Früher habe ich 1050 Euro für ein Einzelgrab für zehn Jahre gezahlt, jetzt sind es 1730 Euro." Sie finde den Friedhof aber schon sehr schön und schätze es, dass er im Ort liege, sagt sie. Auch Thomas Budweiser, langjähriger Friedhofsverwalter von der Firma Trauerhilfe Denk, hört von den Hinterbliebenen oft Klagen, dass die Kosten so hoch geworden seien. Kagerer derweil stören nicht nur die hohen Gebühren, sie findet das ganze Konzept überzogen. Ein Dorn im Auge ist ihr der Meditationsgarten. "So viele Quadratmeter ungenützte Dekorationsfläche", schreibt sie.

Die Gebührenerhöhung ließ sich allerdings offenbar nicht vermeiden. Die Gemeinde ist nach dem Kommunalabgabengesetz gehalten, kostendeckend zu arbeiten. Eine Kalkulation nach diesen Vorgaben gab es aber seit Erstellung des Friedhofs nicht, wie von Daniel Chiba vom Standesamt zu erfahren ist. Nach Hinweisen der Rechtsaufsicht passte die Gemeinde die Kosten an. Sie beauftragte dafür die Kommunalberatungs-Firma Kubus, die die neuen Gebühren für den Zeitraum von 2017 bis 2020 ermittelte. In die Neu-Kalkulation floss sowohl die großzügig angelegte Friedhofsanlage ein als auch die durch neue Verträge für die Bestattungsleistungen und Grünflächenpflege entstehenden Kosten. Die Leistungen hatte die Gemeinde aus wettbewerbsrechtlichen Gründen neu ausschreiben müssen.

In den benachbarten Kommunen sind zwar die Gebühren niedriger, diese können aber nicht eins zu eins miteinander verglichen werden. Das liegt unter anderem am Kostendeckungsprinzip, aber auch daran, dass die verschiedenen Friedhofssatzungen die Gräber in unterschiedliche Kategorien einteilen. "Es wäre ganz falsch, einfach die Gebühren zu vergleichen", sagt Monika Sigl, Leiterin des Standesamts in Ottobrunn. Es spiele etwa eine Rolle, wie alt der Friedhof sei, man müsse alle vier Jahre neu kalkulieren und versuche immer sein Bestes.

In Ottobrunn kostet etwa ein Einzelgrab in der ersten Reihe - in Neubiberg wird nicht mehr nach Reihen unterschieden - für eine Laufzeit von sieben Jahren 889 Euro, was 127 Euro in einem Jahr entspräche. In der Stadt München zum Beispiel gibt es nicht wie in Neubiberg eine Einteilung in Einzel- oder Doppelgrab. Wie es von der Pressestelle des Referats für Gesundheit und Umwelt der Stadt München heißt, spricht man bei Erdgrabstätten in der Reihe und Urnenerdgrabstätten in der Reihe umgangssprachlich von Einzel- und Mehrfachgräbern, obwohl der Begriff missverständlich sei. Denn in einem als Einzelgrab bezeichneten Erdgrab könnten bis zu zwei Särge und acht Urnen beigesetzt werden. Ein Erdgrab in der ersten Reihe kostet nach Auskunft des städtischen Referats 69 Euro im Jahr, also 690 Euro für eine Ruhezeit von zehn Jahren, in der zweiten Reihe 35 Euro im Jahr.

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Was den Meditationsgarten angeht: So schön er ist, oft genutzt wird er offenbar nicht. Friedhofsverwalter Budweiser sieht dort kaum jemanden. Höchstens Jugendliche hielten sich dort immer wieder auf.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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