Neubauten am Klinikum Haar:Eine Zwischen-Station

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Das Konzept der neuen Gebäude: Eine Klinik muss nicht steril sein. (Foto: Angelika Bardehle)

Das Isar-Amper-Klinikum eröffnet in Haar vier neue Gebäude für 350 Patienten. Das Millionenprojekt gilt als Meilenstein. Und doch ist es nur ein Schritt auf dem Weg zur künftigen Psychiatrie-Versorgung.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Redner bemühen am Dienstag im Gesellschaftshaus des Isar-Amper-Klinikums in Haar große Worte, um die Bedeutung des Ereignisses zu beschreiben, das sie zusammengeführt hat. Von einem Meilenstein spricht der eine und von einer Sternstunde der andere. Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) holt bei der Feierstunde für die Eröffnung von vier Neubauten im Herzen der Klinik besonders weit aus und erinnert daran, dass der Komet Hale-Bopp vor 20 Jahren mit seinem Schweif übers Firmament zog und über Wochen Menschen faszinierte. Fast scheint es, als wolle er den himmlischen Beistand bei der bereits damals getroffenen Entscheidung herbeireden, die größte psychiatrische Klinik Bayerns komplett neu auszurichten.

Die Feier gerät jedenfalls vor etwa 200 Gästen zu einer Zwischenbilanz des bisher Erreichten. Von einem Abschluss will keiner so recht sprechen, angesichts des laufenden Umbruchs in der Psychiatrie-Versorgung. "Enthospitalisierung" ist ein Schlagwort, das dafür steht: weg vom klassischen Klinikbetrieb oder gar vom Wegsperren von Patienten. Tageskliniken entstehen in München und in den umliegenden Landkreisen. Und auch in Haar, in der früher alles dominierenden Zentrale, bleibt förmlich kein Stein auf dem anderen. Das Klinikareal wurde halbiert. Auf der verbliebenen Fläche wurden Gebäude saniert, Einheiten umstrukturiert.

Und es wird seit Jahren gebaut, um Platz zu schaffen; aber auch, um in moderner Klinikarchitektur einen neuen Geist in der Psychiatrie zum Ausdruck zu bringen. Der Vorstandschef der Kliniken des Bezirks, Martin Spuckty, bezeichnet deshalb am Dienstag als "einen der schönsten Momente" der vergangenen Jahre den Abriss der alten zentralen Aufnahmeklinik - eines siebengeschossigen Zweckbaus aus dem Ende der Sechzigerjahre. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor, sagt, "gute Krankenhausarchitektur ist therapeutisch". Sie trage dazu bei, die Psychiatrie zu entstigmatisieren. Die neuen Gebäude leisteten dies.

Bereits vor Jahren wurden drei jeweils zweigeschossige Neubauten im Zentrum des denkmalgeschützten Klinikgeländes in Haar eröffnet. Das Projekt einer neuen Neurologie und Psychiatrie komplettieren die drei jetzt fertig gestellten Gebäude, in die zwölf Stationen mit 310 Betten ziehen. Wegen des trotz Regionalisierung wachsenden Bedarfs an Klinikbetten für Psychiatrie-Patienten hat das Isar-Amper-Klinikum in Haar kurzfristig dazu noch einen vierten Bau für zwei Stationen und 40 Patienten hingestellt. Klinik-Geschäftsführer Franz Podechtl lobt die Architektur mit großen, hellen Räumen. Brigitta Wermuth, Vertreterin des Pflegedirektors, kündigt in den neuen Gebäuden auch neue Konzepte in der Betreuung von Demenzpatienten an. Es werde die Vision einer offenen Station angestrebt, sagt sie. Auf der Station für Psychosomatik würden die Pflegekräfte als Co-Therapeuten den Ärzten zur Seite stehen. 220 Pflegekräfte werden in den jetzt eröffneten Häusern arbeiten.

Bei der Eröffnungsveranstaltung waren Klinikchef Franz Podechtl, Vorstandschef Martin Spuckty, Bezirkstagspräsident Josef Mederer, Ministerin Melanie Huml und stellvertretender Landrat Otto Bußjäger zu Gast. (Foto: Angelika Bardehle)

An ein Ende des Klinkumbaus ist nicht zu denken

In den kommenden Wochen soll der Umzug dorthin über die Bühne gehen, den Wermuth als "Mammut"-Aufgabe bezeichnet und der für das Isar-Amper-Klinikum ein historisches Ereignis markiert. In den Jahren 1905 und 1912 wurden die beiden nebeneinander liegenden Kliniken Eglfing und Haar eröffnet, die später zur Heil- und Pflegeanstalt zusammenwuchsen. Nun wird beides wieder getrennt. Das frühere Haar-Areal ging 2010 an Investoren, dort entsteht das Wohngebiet Jugendstilpark. Die dort verbliebenen Stationen etwa der Geriatrie würden bis Februar geräumt, versichert Bezirkstagspräsident Mederer am Dienstag und bezeichnet den Verkauf der Flächen als richtig. Die Einnahmen seien sämtlich in den Klinikumbau geflossen. Die Konzentration des Klinikums auf die frühere Klinik Eglfing und die Regionalisierungsstrategie hätten sich bewährt.

An ein Ende des Klinikumbaus ist freilich alleine angesichts steigender Zahlen an Psychiatriepatienten in der Region nicht zu denken. Es wird wohl auch in Haar weiter gebaut werden müssen. Der Ärztliche Direktor Brieger rechnet jedenfalls schon mal vor, dass der Zuzug von 30 000 Menschen in die Region Jahr für Jahr jedes zweite Jahr eine neue Station mit 24 Betten notwendig machen wird. Zurück zur Großklinik will aber keiner. Mederer kündigt an, in jedem der Landkreise des Versorgungsgebiets in der Region mindestens eine Tagesklinik oder Ambulanz schaffen zu wollen. Derzeit sind Standorte in Erding, Berg am Laim und Pasing in Planung. Am Klinikum Schwabing soll es einen weiteren Psychiatriebau geben. Mederer propagiert zudem, den Krisendienst auszubauen, um stationäre Einweisungen zu vermeiden.

Als ein Problem bezeichnet er im Übrigen die Zunahme von Zwangseinweisungen in die Kliniken durch die Behörden. Die Kliniken dürften nicht zu Verwahranstalten für Straffällige werden, warnt er. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) kündigt am Dienstag weitere Unterstützung bei der Neuausrichtung der Psychiatrie an. Das Konzept mit dem Ausbau des "Kompetenzzentrums" in Haar und wohnortnahen Angeboten sei richtig. Die Krankenhausfördermittel würden 2018 wohl um 140 Millionen auf 643 Millionen Euro erhöht. Der Freistaat werde die "konsequente Förderung" fortsetzen.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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