Kandidatenkür bei der Kreis-SPD:Ein Sitz in Berlin

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Die SPD sucht einen Kandidaten für den Bundestag. (Foto: Wolfgang Krumm/dpa)

Bela Bach gegen Wolfgang Lex. Bei der SPD konkurrieren eine Unerfahrene und ein Unbekannter vor der Bundestagswahl. Warum?

Von Martin Mühlfenzl

Otto Schily ist Geschichte. Auch für die SPD im Landkreis. Obwohl in Bochum geboren, lange Jahre bei den Grünen und davor Anwalt des RAF-Mitglieds Horst Mahler, hatte der Innenminister der rot-grünen Bundesregierung seine politische Basis im Landkreis München. Und die Genossen zwischen Unterschleißheim und Aying sonnten sich gerne im Glanz des Innenministers, der im Wahlkreis München Land Erststimmen-Ergebnisse einfuhr, von denen heutige bayerische Sozialdemokraten nicht einmal zu träumen wagen.

In weniger als drei Wochen, am 4. Oktober, bestimmt die Partei, wer in die übergroßen Fußstapfen Schilys treten soll, der als Letzter die Kreis-SPD als Abgeordneter in Berlin vertrat. Dass die Delegierten bei der Bundeswahlkreiskonferenz überhaupt die Wahl haben, wer 2017 Bundestagskandidat wird, war gar nicht vorgesehen. Denn die Spitze des Kreisverbands hatte sich früh auf Bela Bach festgelegt.

Bela Bach; 2016 Vorsitzende der SPD im Landkreis München, Kreis- und Gemeinderätin und Bundestagskandidatin der SPD Bela Bach. (Foto: Claus Schunk)

Am Ende entscheidet der Listenplatz

Die Kreisvorsitzende, die bereits 2013 für den Bundestag kandidierte und insbesondere von Generalsekretärin Natascha Kohnen und dem Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer protegiert wird, soll der vor sich hinsiechenden Partei im Landkreis neues Leben einhauchen. Die 25-Jährige soll vor allem junge Wähler ansprechen, ihr Netzwerk, das sie sich mit Unterstützung Kohnens und Gantzers aufgebaut hat, nutzen, um bei der Vergabe der Listenplätze eine aussichtsreiche Position zu ergattern. Denn am Ende entscheidet der Listenplatz über den Einzug in den Bundestag.

Ob das klappt? Unmöglich, sagen nicht wenige im Kreisverband. Ob es überhaupt so weit kommt, hängt seit dieser Woche zudem vom Wohlwollen der Delegierten ab. Und davon, wie sich Wolfgang Lex bis zum 4. Oktober schlägt. Wolfgang wer? Diese Frage stellen sich nicht wenige in der SPD. Der 54-jährige Oberhachinger, der überraschend seine Gegenkandidatur anmeldete, ist in nahezu allen Belangen der Gegenentwurf zu Bach. Ein Mann mittleren Alters, ohne das Partei-Establishment im Rücken, Einzelkämpfer, ohne jedes Mandat. Eines aber hat er mit der Studentin Bach gemeinsam: Beide sind - noch - keine Schwergewichte in der Landkreis-SPD.

Diese, das sagt auch die seit März 2015 amtierende Kreis-Chefin Bach, sitzen in den Rathäusern. In zehn der 29 Kommunen regieren Sozialdemokraten - so in Unterschleißheim, der Universitätsstadt Garching und in Unterhaching. Und so stellt sich die Frage, warum sich keiner von ihnen berufen fühlt, sondern eine Unerfahrene gegen einen Unbekannten antritt.

Oberhaching, Hachinger Hof, JHV SPD Oberhaching, Hachinger Hof, JHV SPD, Claudia Schmohl, Margit Markl, Simon Schumann, Wolfgang Lex, Foto: Angelika Bardehle (Foto: ANGELIKA BARDEHLE)

Den Ton geben zwei Frauen an

Das hat Gründe. Einer ist offiziell: Bach sei die Vorsitzende und somit die richtige Kandidatin. Ein anderer, den ein SPD-Rathauschef nur ausspricht, wenn man ihm verspricht, ihn nicht beim Namen zu nennen: "Momentan ist eine Bundestagskandidatur für die SPD im Kreis ein Himmelfahrtskommando. Es passt nichts, die Grundstimmung in der Partei nicht, die Politik auf Bundesebene. Wer das macht, wird verheizt." Und das könne sich kein Bürgermeister drei Jahre vor der nächsten Kommunalwahl leisten.

So wird wahrscheinlich Bela Bach verheizt, wenn sie keinen vorderen Listenplatz bekommt. Dann könnten sich nach 2020 - also nach der Kommunalwahl - neue Figuren in den Vordergrund spielen.

München, Hofbräukeller, Parteitag der SPD München-Land, München, Hofbräukeller, Parteitag der SPD München-Land, Annette Ganssmüller-Maluche, Foto: Angelika Bardehle (Foto: Angelika Bardehle)

Die gibt es. Christoph Böck in Unterschleißheim ist der Prototyp des seriösen, kompetenten Bürgermeisters. Mit 49 ist er in einem Alter, das noch berufliche Wendungen und Aufstiege zulässt. Wolfgang Panzer aus Unterhaching wäre der joviale Gegenentwurf: bodenständig, volkstümlich. Den Ton aber geben seit geraumer Zeit zwei Frauen an, die Bach auf der Bühne der Kreispolitik in den Hintergrund drängen: die Landratsstellvertreterin Annette Ganssmüller-Maluche und die Chefin der Kreistagsfraktion, Ingrid Lenz-Aktas. Die Anzeichen mehren sich, dass beide 2017 um die Landtagskandidatur im Wahlkreis-Nord konkurrieren werden. Nach Berlin zieht es sie nicht - und nach außen stehen sie treu an der Seite der SPD-Chefin. Das kann sich freilich ändern, wenn Bach bei der Bundestagswahl - oder vielleicht sogar schon bei der Nominierung - Schiffbruch erleidet. Ganssmüller-Maluche hatte schon 2015 gegen sie um den Kreisvorsitz kandidiert. Damals erfolglos.

Wer Loyalität und Disziplin zeigt, wird in der SPD belohnt

Die SPD kann eine furchtbar grausame Partei sein - auf Bundesebene, aber auch im Kommunalen. Rudolf Scharping weiß das, seitdem er 1995 beim Mannheimer Parteitag von Oskar Lafontaine gestürzt wurde. Der Parteilinke Marcel Schaller hat im Landkreis ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Unterschleißheimer galt lange als Nachfolgekandidat Schilys. Er wartete vergeblich auf dessen Rückzug und bewarb sich schließlich um die Kandidatur für den Landtag. Bei der Abstimmung 2007 wurde Schaller jedoch von den Delegierten mit einer heftigen Watschn hinter Gantzer und Lenz-Aktas befördert, dass er kurz darauf den SPD-Kreisvorsitz hinschmiss. Die SPD hatte ihren Kronprinzen mit Wucht ins Abseits befördert.

Dass der aktuellen Kreisvorsitzenden ein ähnliches Schicksal widerfährt, wollen die Führungsfiguren mit aller Macht verhindern. Anders lässt sich nicht erklären, warum der SPD-Grandseigneur Gantzer so heftig auf die Ankündigung von Lex reagiert, gegen Bach anzutreten: Unverständliche Entscheidung. Keine Chance. Zählkandidat. Das sind Gantzers Worte.

Die SPD ist auch eine Partei, die Loyalität und Disziplin einfordert. Wer die zeigt, wird belohnt. Etwa mit der bedingungslosen Unterstützung hochrangiger Parteifreunde. Bela Bach weiß, dass sie sich auf Gantzer und Kohnen verlassen kann. Die plötzliche Konkurrenz offenbart aber, dass sie sich nicht auf alle Mitglieder wird verlassen können.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas (links), und die Landtagsabgeordnete Natascha Kohnen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Mehrheit der SPD-Mitglieder im Landkreis ist über 60 Jahre alt

Was auch an ihrem bisher einzigen wirklich einprägsamen Auftritt als Parteichefin liegt. Erst kurz im Amt, hatte sie im vergangenen Jahr einen kleinen Parteitag einberufen, um sich eine Resolution für die Entkriminalisierung von Cannabis absegnen zu lassen. Die Basis folgte ihr damals einstimmig. Wohl auch, um der neuen, jungen Vorsitzenden nicht zu schaden. Doch die überwiegende Mehrheit der etwa 1500 SPD-Mitglieder im Landkreis München ist 60 Jahre oder älter. Das Kiffen steht auf ihrer persönlichen Agenda gewiss nicht sehr weit oben.

Ihre Alternative könnte Wolfgang Lex sein. Ein Kandidat, der sich - im Gegensatz zu Otto Schily - bei vielen erst noch vorstellen muss.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Kandidatur für den Bundestag
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