IT-Sicherheit:Rechenzentrum in Aschheim: Streng bewachte Datenwelt

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Blick in den Hochsicherheitstrakt mit den Schränken für die Server. (Foto: Angelika Bardehle)

Am Rande Münchens hat eines der größten Rechenzentren Deutschlands eröffnet. Die IT-Spezialisten setzen bei ihrer Arbeit für Banken und Global Player vor allem auf eines: Sicherheit.

Von Georg Jahreis, Aschheim

Zwei Sicherheitsschleusen. Eine für Personen, die andere für Gegenstände. "Die Personen müssen die Schleuse einzeln passieren. So haben wir immer den Überblick: Wer ist drin? Wer darf rein?", sagt David Ziegler. Er ist im neuen Rechenzentrum der Firma Noris Network in Aschheim dafür verantwortlich, dass sich kein Unbefugter Zutritt zu den unzähligen Computer-Festplatten verschafft. Noris Network beherbergt, überwacht und managt IT-Systeme von Unternehmen, seit dieser Woche auch in Aschheim. Dort hat die Nürnberger Firma eines der größten Rechenzentren Deutschlands eröffnet.

Über einen 70 Meter langen Tunnel nähert man sich der Fläche mit den vielen Rechnern. Zuvor zeigt Ziegler einen Raum mit wuchtigen Stickstoffflaschen. "Wir kontrollieren ständig die Luft im Rechenzentrum. Stellen wir Partikel fest, die zum Beispiel von einem schmorenden Kabel herrühren, führen wir Stickstoff zu und reduzieren so den Sauerstoffgehalt der Luft, damit kein Feuerzeug mehr angeht", erklärt Ziegler. "Brandfrühesterkennung" nennt das die Nürnberger Firma, die in dieser Woche ihr Zentrum in Aschheim fertiggestellt hat. Sollten die Stickstoffvorräte aufgebraucht sein, habe man in der Hinterhand immer noch eine Anlage, die selbst Stickstoff produzieren kann.

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In Aschheim hat eines der größten Rechenzentren der Republik eröffnet - hier stehen die Server zahlreicher namhafter Firmen.

Das erste Rechenzentrum von Noris Network in Nürnberg besteht seit 1995. Stickstoff habe man dort bislang nicht einsetzen müssen, sagt Ziegler. Im Falle eines Falles sei es wichtig, den Stickstoff langsam zuzuführen. "Die Festplatten muss man wie rohe Eier behandeln. Sie sind sehr empfindlich, wollen immer die gleiche Temperatur, den gleichen Strom, die gleiche Lautstärke", sagt Ziegler. Lautstärke? "Eine amerikanische Firma hat 80 Prozent ihrer Festplatten zerstört, weil sie den Stickstoff zu schnell eingeleitet hat. Das verursachte einen Knall." Den hätten die meisten Festplatten nicht verkraftet, erzählt der Sicherheitsexperte.

Vorbei an einer kleinen Teeküche mit vergitterter Mini-Terrasse geht's ins Sicherheitszentrum. Ein Mitarbeiter sitzt vor 32 Bildschirmen - das Areal des Rechenzentrums im Blick. "Der Platz ist 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche besetzt", sagt Ziegler. Selbstverständlich könne das Aschheimer Zentrum zugleich von Nürnberg aus überwacht werden, falls der Mitarbeiter in Aschheim gerade seinen Sicherheitsrundgang macht, etwa zu der 3200 Quadratmeter großen Fläche, auf die bis zu 100 000 Rechner passen: der Schatz, den es zu behüten gilt.

Firmen wie Adidas, Vodafone oder Easy Credit vertrauen ihre IT-Systeme Noris Network an. Bei der Sicherheit gehe es nicht nur um potenzielle Einbrecher und natürliche Bedrohungen wie Feuer. "Wir müssen auch dafür sorgen, das Hacker die Daten unserer Kunden nicht verändern, abziehen, löschen oder verfälschen können", sagt Florian Sippel, der das Aschheimer Rechenzentrum geplant hat. "Würden beispielsweise die Bonitätsprüfungen einer Bank für alle frei zugänglich im Internet landen, wäre das für die Bank ein Totalschaden", verdeutlicht Sippel. Unzählige E-Mails schwirren an einem Tag von Firma zu Firma. "Bei uns stehen Server, die diese Mails empfangen beziehungsweise senden", stellt Sippel klar.

Energieeffiizienter Zweckbau

Im Herzen des Rechenzentrums rauscht es pausenlos, monoton. Die Luft hält die Technik auf Wohlfühltemperatur. "Das Teuerste an einem Rechenzentrum ist grundsätzlich die Klimaanlage", sagt Ziegler. Um energieeffizienter zu kühlen, habe sich das Unternehmen für das sogenannte Kyoto-Rad entschieden. Das hat einen Durchmesser von sechs Metern und fungiert als Wärmetauscher. Das Rad transportiert kalte Außenluft ins Innere des Gebäudes und kühlt dort die warme Luft der Rechner wieder ab. Herkömmliche Klimaanlagen benötigten Wasser, das Kyoto-Rad nicht. In der Kategorie Energieeffizienz erhielt Noris Network den deutschen Rechenzentrumspreis.

"Rechenzentren zahlen nicht für die Fläche, sondern für den Strom", sagt Gerrit Schröder, der sich ebenso um die Sicherheit kümmert. Was, wenn das Stromnetz einmal ausfällt? Die Firma hat vorgesorgt: Mit schiffsdieselähnlichen Motoren könne man im Notfall selbst Strom erzeugen.

Hochsicherheitsbau an taktisch kluger Stelle

Über der Fläche mit den Rechnern thront eine freischwebende Decke. "Wir haben 10 000 Tonnen Stahl verbaut, der Eiffelturm besteht aus 7600 Tonnen", sagt Schröder. Auch von außen wird das Gebäude geschützt. Vor der Lkw-Einfahrt steht eine Stahlschranke. "Standard beim US-Militär. Die Schranke hält einen 7,5-Tonner mit 80 Stundenkilometern auf", erläutert Schröder.

Sicherheit biete zudem der Standort. "Hier gibt es keine Chemiefirma in der Nachbarschaft, Aschheim ist kein Überschwemmungsgebiet. Hier ist keine Einflugschneise. Wir liegen direkt an der Glasfaserdatenautobahn Nürnberg-München", sagt Vorstand Joachim Astel. Der zweite Bauabschnitt des Rechenzentrums ist bereits geplant. Die Wirtschaft lege großen Wert auf die Sicherheit ihrer IT. Noris Network wächst. Doch: "Es ist mittlerweile schwer, qualifiziertes Personal zu finden", sagt Astel. Alles kann halt doch nicht sicher sein.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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