Haar/Neubiberg:Manege frei

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Zirkusprojekte an Grundschulen wie in Haar und Unterbiberg boomen - Eltern und Pädagogen berichten von positiven Auswirkungen auf die Kinder, beispielsweise vom gestärkten Selbstvertrauen oder dem Wir-Gefühl

Von Daniela Bode, Haar/Neubiberg

Einmal auf dem Seil tanzen, einmal mit Feuer hantieren, ohne sich zu verbrennen - welches Kind träumt nicht davon, einmal Zirkuskunststücke in der Manege vorzuführen. An einigen Orten im Landkreis München können sich die Kleinen diesen Traum erfüllen. Denn an immer mehr Grundschulen findet eine Projektwoche mit einem pädagogischen Zirkus statt, in der die Kinder Artistennummern einstudieren können: Zuletzt war der Zirkus Zappzarap an der Grundschule Unterbiberg zu Gast. Diese Woche übten die Kinder der St.-Konrad-Grundschule in Haar unter Anleitung der Mitarbeiter des Zirkus' Tausendtraum Kunststücke wie Seiltanz, Clown- und Fakirnummern ein.

Manege frei hieß es am Freitag - da war Premiere. An diesem Samstag und Sonntag finden in Haar ebenfalls Aufführungen statt. Für Kinder, Elternbeirat und Lehrer wird es der Abschluss eines Projekts sein, das ein großes Miteinander war, aber auch viel Engagement erforderte.

Bei so einer Projektwoche geht es nicht in erster Linie darum, Zirkuskunststücke zu erlernen. Es geht darum, dass die Kinder sich Dinge trauen, wozu ihnen vorher vielleicht der Mut gefehlt hätte. Es geht darum, das Selbstvertrauen und das Wir-Gefühl zu stärken. "Die 209 Kinder durften sich am Anfang der Projektwoche aussuchen, welches Zirkusstück sie aufführen wollen", erzählt Marco Sommer, Elternbeiratsmitglied an der Grundschule Unterbiberg. "Es gab Kinder, die eigentlich Clown sein wollten, dann aber in der Leiterakrobatik-Gruppe waren. Das hätten sie sich sonst nie getraut", sagt Sandra Ehmann, Projektleiterin und stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende an der Unterbiberger Schule. Auch an der Konrad-Grundschule hat jedes der rund 330 Kinder selbst entschieden, ob es nun eine Jongleur-, Clown- oder Artistennummer lernen will, erzählt Funda Faust, Klassen-Elternsprecherin einer der vierten Klassen an der Konradschule. "Es bilden sich auch neue Freundschaften", sagt Sommer.

Wie bei dem Projekt in Haar waren die Kinder in Unterbiberg in den Projektgruppen aus verschiedenen Klassen zusammengewürfelt. "Der Höhepunkt für die Kinder ist es, am Ende der Projektwoche vor einem echten Publikum aufzutreten", sagt Funda Faust vom Elternbeirat. Die fünf Vorstellungen finden in dem großen Zirkuszelt auf der Festwiese an der Wasserburger Landstraße in Haar statt. Jeder, der will, kann zuschauen.

Dass den Kindern die lehrreichen Projekte überhaupt ermöglicht wurden, dafür haben Eltern und Lehrer sich monatelang intensiv engagiert. Schon vor etwa einem Jahr habe der Elternbeirat begonnen zu planen, erzählt Sommer aus Unterbiberg. Nicht anders war es bei den Haarern. Die Eltern dort gründeten wie die in Unterbiberg eine Organisationsgruppe, die alle paar Wochen tagte. Was wohl eine der größten Herausforderungen war: Sie hatten viel Geld zu sammeln. Denn ein einwöchiges Projekt mit dem Zirkus Zappzarap wie in Unterbiberg kostet etwa 10 000 Euro. Auch die Haarer mussten eine große Summe zusammenbringen.

Bei den Zirkusprojekten von Zappzarap, hier mit Feuerzauber in Neubiberg, entscheiden die Kinder selbst, was sie vorführen wollen. (Foto: Claus Schunk)

Weil die Unterbiberger infolge einer Entscheidung der Gemeinde das Zirkuszelt nicht auf dem lokalen Sportplatz, sondern auf einer Wiese an der Lilienthalstraße aufbauten, mussten sie auch mobile Toiletten und einen Security Service organisieren. Um das Geld für das Projekt zusammenzubringen, ließen sich die Elternbeiräte einiges einfallen. Die Haarer suchten private Sponsoren. Eltern und Kinder verkauften beim Haarer Christkindlmarkt selbst gebackene Plätzchen, beim Sponsorenlesen lasen Schüler Mitschülern und Eltern vor, für jede gelesene Seite gab es einen Geldbetrag. Der Förderverein der Haarer Grundschule regelte die finanziellen Angelegenheiten. Auch der Unterbiberger Elternbeirat startete einige Aktionen: Die Mitglieder fragten bei diversen Firmen wegen Sponsorings an und sammelten dort Spenden ein, sie nahmen über den Verkauf der Eintrittskarten Geld ein und veranstalteten rund um die Zirkusaufführungen ein Event - es gab vor und nach den Vorstellungen etwa Getränke und bei einer Tombola Lose zu kaufen.

Gleichzeitig galt es, Eltern zu motivieren, sich zu beteiligen. So wurden in Unterbiberg Eltern in der Projektwoche direkt eingebunden, um die Kinder anzuleiten. Sie hatten selbst zuvor in einem Workshop von Mitarbeitern des Zirkus Zappzarap die Stücke gelernt, wie Elternbeirat Sommer sagt. Auch das gesamte Lehrerkollegium war im Zirkusteam. In Haar waren ebenfalls die Eltern eingebunden, aber um die Kinder bei den Nummern zu betreuen. Angeleitet wurden die Schüler von den rund sechs Zirkusleuten. Anders als beim Zirkus Zappzarap sind die Lehrer Beobachter, sagt Ralf Derichs, einer der Geschäftsführer des Zirkus' Tausendtraum. Dennoch findet auch dieses Projekt Faust zufolge in enger Zusammenarbeit mit der Schule statt. Darin ist man schon geübt - schließlich fand dasselbe bereits vor vier Jahren schon einmal statt. Die Schulleitung hatte damals beschlossen, das Vorhaben im Vier-Jahres-Turnus zu wiederholen, damit kein Kind benachteiligt wird.

So viel Mühe für ein bisschen Zirkus? Ja. Und die Nachfrage nach Zirkusprojekten an der eigenen Schule wird immer größer. "Anfangs hatten wir ein Zelt und 20 Projekte im Jahr, jetzt haben wir fünf große Zelte und sind von März bis Oktober ausgebucht", sagt Daniel Klein, Marketingleiter beim Zirkus Zappzarap. Der Zirkus mit Sitz in Leverkusen ist mit seinen Projektwochen für Schulen in ganz Deutschland, in Österreich und in der Schweiz unterwegs. Das Team besteht aus etwa 50 Streetworkern, Sozialpädagogen, Lehrern und Erziehern.

Manch ein Kind entdeckt bei der Akrobatik ganz neue Seiten an sich und auch den Mut, sie umzusetzen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Derichs vom Zirkus Tausendtraum mit Sitz in Soest kann die hohe Nachfrage bestätigen. "In den letzten zehn Jahren ist das rapide gestiegen", sagt er. Der Zirkus Tausendtraum habe vor 15 Jahren mit vier bis fünf Projekten begonnen, nun seien es 40 bis 45 im Jahr. Auch er arbeitet mit Zirkuspädagogen und wird von Schulen in ganz Deutschland gebucht. Die gestiegene Nachfrage erklärt Klein sich damit, dass Schulen das untereinander weitergeben: "Das war eine tolle Sache". So eine Woche habe eine nachhaltige Wirkung auf die Kinder. Auch Derichs erklärt sich das große Interesse mit der Sinnhaftigkeit und den positiven Auswirkungen. "Es geht um Sozialverhalten und darum, das Selbstvertrauen zu stärken."

Trotz der vielen Arbeit sind sich die Eltern einig: "Es war definitiv den Aufwand wert. Für die Kinder ist es das Nonplusultra", sagt Marco Sommer. Funda Faust bestätigt das: "Es ist das schönste Projekt an der ganzen Schule. Es hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei den Kindern." Ihre Tochter beispielsweise, die vor vier Jahren an der Zirkuswoche teilnahm, spreche heute noch davon.

Die Zirkus-Vorstellungen in Haar finden noch am Samstag, 4. Juli, um 10.30, 14.30 und 18.30 Uhr und am Sonntag, 5. Juli, um 11 Uhr statt. Karten gibt es an der Tageskasse zum Preis von 8 Euro für Erwachsene und 5 Euro für Kinder. Schüler der Konradschule zahlen nichts.

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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