Haar/Aschheim:Modell-Wechsel

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Nach der Absage von BMW setzt Haar auf die Ansiedlung anderer Unternehmen. Auch Aschheim ist zuversichtlich, für leer stehende Gewerbeflächen Betriebe zu finden

Von Bernhard Lohr, Haar/Aschheim

Auch wenn die Sektkorken jetzt in Unterschleißheim knallen - in Haar und auch in Aschheim ist man weit davon entfernt, wegen der Entscheidung des Autobauers BMW, sein Entwicklungszentrum Autonomes Fahren im Norden des Landkreises anzusiedeln, in Trübsinn zu verfallen. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) zeigte sich am Dienstagabend im Gemeinderat entschlossen, die Erfahrungen aus dem Schaulaufen um das Prestigeprojekt zu nutzen und weiter um die Ansiedlung attraktiver Firmen zu werben. Mit Sebastian Kuhlen, Chef-Projektentwickler der Dibag Industriebau, hatte sie gleich den richtigen Partner in der Sitzung neben sich. Auch Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) sieht günstige Zeiten, den Leerstand zu bekämpfen.

In Haar hat man bei dem lange eher von mäßigem Erfolg gekrönten Bestreben, freie Büro- und Gewerbeflächen loszuschlagen, in dem zu Ende gehenden Jahr Erfolge verzeichnet. Das Nanotechnologie-Unternehmen Attocube baut am Bahnhof. Vor allem ist von den Tausenden Quadratmetern freier Bürofläche in Eglfing nicht mehr viel übrig. Das Europäische Patentamt nutzt mit seinen Beschwerdekammern von Juli an 11 000 Quadratmeter. Dazu verkündete Bürgermeisterin Müller, dass das Software-Unternehmen Inifinigate mit Deutschlandsitz in Oberhaching mit 110 Mitarbeitern nach Haar geht. Und die Finanzinformatik Technologie Service mietet zusätzliche Flächen dazu. Damit gebe es praktisch keine freien Gewerbeflächen mehr in Haar, sagte Müller. "Insofern war es ein gutes Jahr."

Und Gutes könnte ja in den nächsten Jahren noch folgen, schließlich sagte Sebastian Kuhlen von der Dibag im Gemeinderat, dass er die gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde trotz BMW-Absage - die er vor allem darauf zurückführte, dass der Autobauer in Unterschleißheim wegen bereits bestehender Gebäude früher einziehen kann - fortsetzen möchte. "Wir bleiben sozusagen beieinander", sagte er. Müller pflichtete bei und sagte, die Finckwiese sei durch die BMW-Bewerbung aus dem "Dornröschenschlaf" erweckt worden. Sollte ein attraktives Unternehmen kommen, werde man sich das anschauen.

Um darauf gut vorbereitet zu sein, soll die öffentliche Auslegung im Flächennutzungsplan-Änderungsverfahren weiterlaufen. Kuhlen sprach davon, dass man von den Behörden jetzt schon viele interessante, hilfreiche Rückmeldungen bekommen habe, etwa was Artenschutz, Ausgleichsflächen oder die Nutzung oberflächennaher Geothermie angehe.

Die Aussichten, dass sich tatsächlich ein Unternehmen meldet, das auf den 15 Hektar zwischen B 304 und B 471 in Haar seine Wünsche verwirklicht, scheinen gar nicht so schlecht zu stehen. Aus dem Haarer und auch aus dem Aschheimer Rathaus wird von einer Zunahme an Anfragen berichtet. Unternehmen zieht es verstärkt raus aus der Stadt oder gleich ins Umland von München. Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) hatte die BMW-Ansiedlung in seiner Gemeinde, die in Dornach hätte erfolgen können, öffentlich eher zurückhaltend beworben. Er formulierte am Mittwoch als sein Ziel - so wie auch schon vor der Entscheidung des Autobauers für Unterschleißheim -, dass vor allem der Leerstand in Dornach verringert werden müsse, den er auf etwa 30 Prozent schätzt. Glashauser sieht gute Chancen, dabei weiterzukommen. Viele Hotel-Betreiber meldeten Interesse an, nach Dornach in unmittelbarer Nähe zur Messe zu kommen. Es gebe Kontakte mit Firmen, sagt Glashauser. Er rechne damit, bald auch Namen von Unternehmen nennen zu können, die sich in Aschheim niederlassen wollten. Sie seien willkommen.

Ob sich in Haar jeder freut, wenn auf der bisher unbebauten Finckwiese Gewerbeflächen entstehen, ist allerdings fraglich. Bürgermeisterin Müller sagte, dass - wie von ihr zugesagt - dort von Frühjahr an erst einmal wieder Landwirtschaft betrieben werde. Ein Einkaufszentrum oder ein Logistikunternehmen will sie dort nicht haben. Aber auch in das Rufen nach hochwertigem Gewerbe, nach Forschung und Entwicklung etwa im Stil von BMW will die CSU im Gemeinderat nicht einfach so mit einstimmen. Fraktionschef Dietrich Keymer erinnerte Müller daran, dass ihre Worte in diesem Punkt nicht durch die "gegenwärtige Beschlusslage dieses Gremiums" gedeckt seien. Demnach gelte: BMW oder nichts. Die Zukunft für die Finckwiese sei "völlig offen", sagte Keymer. Müller wollte in diesen Worten freilich keinen Widerspruch zu ihrem Streben erkennen. Die Finckwiese gilt in Haar als die letzte große Entwicklungsfläche. Dass dort einmal Gewerbe angesiedelt werden soll, war bisher Konsens. Laut Müller ist jedenfalls an Wohnungsbau nicht gedacht.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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